Hermann von Helmholtz-Zentrum für Kulturtechnik

Zentralinstitut der Humboldt-Universität zu Berlin

Die Trigonometrie von Bild und Klang 

Friedrich Kittler

Im Projektzusammenhang bildet eine Fragestellung, die neben Bildern und ihrer Verzifferung auch Klänge und deren Verzifferung einbezieht, eine Ausnahme, weil Klang im Gegensatz zu Bild, Schrift und Zahl nicht als Medium der Wissenschaft fungiert hat. Zwei Gründe sprechen jedoch dafür, die Technikgeschichten von linearer Perspektive und temperierter musikalischer Frequenz strikt parallel zu führen. Erstens geht ihr Unterschied unter Computerbedingungen in der technischen Allgemeinheit
digitaler Signalverarbeitung auf, zweitens hat die neuzeitliche Mathematik optische Erscheinungen mit derselben Trigonometrie formalisiert wie musikalische Schwingungen. Im Teilprojekt geht es um genau diesen Zusammenhang zwischen einer grundlegenden Mathematisierung, welche die Künste der europäischen Neuzeit gegenüber anderen Kulturen ausdifferenziert hat, und einer modernen Technisierung, die diese Künste zunächst in analoge und schließlich in digitale Medien überführen konnte. Daraus folgt abschliessend eine Hypothese über die Hintergründe jener fundamentalen Trennung, die seit Kant eine philosophische Ästhetik der Sprachauslegung einer physikalischen Ästhetik der Messung entgegenstellt, eine Hypothese also, die e contrario zum Brückenschlag zwischen Mathematik, Informatik und Kulturwissenschaft beitragen könnte.