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Objekt des Monats: Das Weiterbildungsprogramm-Archiv Berlin/Brandenburg der Abteilung Erwachsenenbildung/Weiterbildung – Von der Entstehung und Entwicklung einer aktiven HU-Sammlung

Objekt des Monats 06/2024 

Welche Lern- und Bildungsmöglichkeiten gibt es im Erwachsenenalter? Welche Themen bieten unterschiedliche Anbieter als Kurse, Veranstaltungen, Seminare, Workshops an beispielsweise zu Nachhaltigkeit, zum gesellschaftlichen Zusammenhalt, zu Kultur oder zu Anforderungen der Arbeitswelt zwischen Berufsbezug und Schlüsselqualifikationen? Und für welche Zielgruppen bieten sie das an? Wie lassen sich dann Aussagen zu Themen und anvisierten Zielgruppen, die in Gegenwart und Vergangenheit in der Erwachsenenbildung – und damit in der Gesellschaft – relevant sind und waren, treffen?

Möglich ist dies durch die Analyse von Programmen (und darin Angebotsankündigungen), die zumeist entweder als Heft oder als Flyer von Weiterbildungsanbietern veröffentlicht werden. In ihnen finden sich Beschreibungen der geplanten Bildungsangebote, Angaben zu Teilnahmemodalitäten, sowie häufig Vorworte, die Rückschlüsse auf die bildungsprogrammatische Ausrichtung der Anbieter erlauben.

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Abb. 1: Cover verschiedener im Archiv gesammelter Anbieter

Programmarchive sammeln Weiterbildungsprogramme, die in der Regel weder von kommunalen Archiven, Bibliotheken noch den Anbietern selbst vollumfänglich gesammelt werden, und stellen sie als Forschungsprimärdaten bereit. Dadurch identifizieren sie Strukturentwicklungen und dokumentieren auch den Wandel der Weiterbildungslandschaft. Diese beiden Ziele wurden mit der Gründung des Weiterbildungsprogramm-Archivs Berlin/Brandenburg im Jahr 1995 verfolgt. Anliegen der Sammlungsgründerin und damaligen Lehrstuhlinhaberin Wiltrud Gieseke war es, die sich vollziehenden Entwicklungen nach der Wiedervereinigung einschließlich des Zusammenwachsens zweier unterschiedlicher Gesellschafts-, Arbeitsmarkt- und Weiterbildungssysteme abzubilden. Hierfür war es notwendig, aktiv die Programme von Weiterbildungsanbietern aus den Ländern Berlin und Brandenburg rückwirkend ab 1990 zu sammeln.

Heute umfasst das Weiterbildungsprogramm-Archiv einen Bestand von ca. 18.000 Programmen von mehr als 1.100 Weiterbildungseinrichtungen und anderen Anbietern von Weiterbildung. Das Archiv ist gemäß seines Gegenstandes fortlaufend aktiv sammelnd.

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Abb. 2: Blicke in den Archivraum (gleichzeitig Arbeitsplatz für Nutzende)

Der Bestand wird regelmäßig für Forschungs- und Abschlussarbeiten genutzt und Studierendengruppen besuchen das Archiv im Rahmen ihrer Seminare.

Neben unserem Archiv existieren mit dem Volkshochschul-Programmarchiv am Deutschen Institut für Erwachsenenbildung – Leibniz-Zentrum für Lebenslanges Lernen (DIE) und dem Österreichischen Volkshochschularchiv im deutschsprachigen Raum zwei weitere Programmarchive. Im Gegensatz zu diesen beiden Sammlungen berücksichtigt das Weiterbildungsprogramm-Archiv neben den Volkshochschulen eine große Bandbreite unterschiedlicher Anbietertypen. So werden hier u.a. auch die Programme von gewerkschaftlichen, konfessionellen und politischen Einrichtungen, von Kammern, von gemeinnützigen Vereinen sowie von betrieblichen und kommerziellen Anbietern archiviert. Diese inhaltliche Repräsentation verschiedener Einrichtungstypen macht das Weiterbildungsprogramm-Archiv einzigartig.

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Abb. 3: Vielfalt der im Archiv gesammelten Einrichtungstypen

Die pädagogisch Planenden, die für die Weiterbildungsangebote verantwortlich zeichnen, identifizieren gesellschaftlich relevante Themen, legen diese aus und transformieren sie in Bildungsangebote. Durch die wissenschaftliche Auseinandersetzung mit den veröffentlichen Programmen im Rahmen von Programmanalysen lassen sich eben diese Auslegungen gesellschaftlicher Themen und die damit verbundenen Vorstellungen von Bildungsbedarfen und Bildung herausarbeiten. Ein Forschungsprojekt am Lehrstuhl (ÖkonoBi_EBWB_Pro, gefördert vom Bundesministerium für Bildung und Forschung 05.23-01.24) zeigt dies für die ökonomische und finanzielle Bildung, die gegenwärtig als wichtiges politisches und gesellschaftliches Mittel zum Erreichen von Teilhabe einerseits, von Nachhaltigkeitszielen andererseits und zur Gestaltung von gesellschaftlichem Wandel gilt. Durch das Archiv war es möglich, in kurzer Frist eine Stichprobe von gut 800 Angeboten sehr unterschiedlicher Träger bzw. Anbieter zu bilden. Die davon analysierten 250 Angebote belegen Differenzierungen und Schwerpunkte eines sich entwickelnden Inhaltsbereichs – jedoch dank der großen Bandbereite der Stichprobe auch trägerspezifische Profile der Auslegung und Platzierung ökonomischer Bildung.

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Abb. 4: Sample und Themenkategorien aus dem Forschungsprojekt ÖkonoBi_EBWB_Pro

Das Archiv wird kontinuierlich weiterentwickelt: neben Leitbild und Sammlungskonzept, einer neuen Datenbank (die Einrichtungen und einzelne Programme verzweigt verknüpft und differenziert erschließt) und einem Pilotprojekt zur Speicherung von Websitedaten von Einrichtungen (Trend zur digitalisierten Veröffentlichung von Angeboten) ist dies aktuell die Arbeit an einer umfangreichen Bestandsbetrachtung. Dies ist verbunden mit dem Ziel, Veränderungen im dynamischen Weiterbildungsmarkt aus einer bildungswissenschaftlichen Perspektive abzubilden.

Das Archiv ist eingebunden in die ‚Expert:innengruppe Programmforschung‘, ein Netzwerk mit den anderen beiden oben genannten Archiven und in der Programmforschung aktiven Lehrstühlen sowie in die Strukturierungen, die über die Erwachsenenbildungsgesetze in Berlin (2021) und für Brandenburg (novelliert 2024) bestehen und sich weiter entwickeln.

Grundsätzlich steht das Weiterbildungsprogramm-Archiv allen Interessierten offen. Wer nun selbst einen Eindruck von der Sammlung gewinnen möchte, ist im Monat Juni dazu eingeladen, das Archiv am 05.06. oder am 12.06. jeweils zwischen 12.00 und 14.00 Uhr zu besuchen. Darüber hinaus wird sich das Weiterbildungsprogramm-Archiv als Teil der Abteilung Erwachsenenbildung/Weiterbildung auf der diesjährigen Langen Nacht der Wissenschaften (am 22.06.2024 im Auditorium des Grimm-Zentrums) präsentieren.

Prof. Dr. Aiga von Hippel | Sammlungsleiterin
PD Dr. Marion Fleige | Wissenschaftliche Betreuung
Annika Müllner M.A. | Archivarin / Dokumentarin

E-Mail: ewi.ebwb@hu-berlin.de oder annika.muellner.1@hu-berlin.de

Homepage: https://www.erziehungswissenschaften.hu-berlin.de/de/ebwb/weiterbildungsprogrammarchiv

Besucher:innenanschrift:
Institut für Erziehungswissenschaften
Geschwister-Scholl-Str. 7
10117 Berlin
Raum 313