Am 8. Januar 2025 um 18:00 c.t. findet der dritte Termin der Ringvorlesung „Beziehungsweise Familie“ statt:
Familie, Sorge, Staat – Ideale der Zugehörigkeit und Praktiken der Exklusion
Prof. Dr.Tatjana Thelen (Universität Wien Institut für Kultur- und Sozialanthropologie)
Die Idee der „modernen“ Familie ist ein zentrales Element europäischer Selbstbeschreibung. Demzufolge ist in Europa Verwandtschaft auf dem Rückzug, und weitgehend durch eine emotionalisierte (Klein- oder Kern-) Familie ohne politische Bedeutung ersetzt. Diesem Selbstbild steht ein Fremdbild gegenüber, dass eine Beständigkeit, bis hin zu Dominanz „traditioneller“ Verwandtschaft in der Vergangenheit oder ausserhalb Europas vermutet. Wirtschaftliche und politische Folgen verwandtschaftlicher Organisation in Europa werden so leicht übersehen. Zudem kann diese Fortschrittserzählung zu einem abwertenden Blick auf andere Formen des Zusammenlebens führen. In Hinblick auf familiäre Sorge ergibt sich jedoch ein ambivalenter Blick. In Europa bedarf sie vermeintlich staatlicher Unterstützung, während sie anderswo ungebrochen vorhanden scheint. „Richtige“ Sorge in Familien wird so zu einem Marker politischer Zugehörigkeit. In meinem Vortrag zeige ich einerseits die politische Bedeutung der Verwandtschaft in Deutschland auf. Andererseits gehe ich auf Formen der Ausgrenzung durch ein spezifisches Verständnis verwandtschaftlicher Sorge ein.
Der Vortrag findet in deutscher Sprache statt.
Die Teilnahme ist ohne Voranmeldung möglich und steht allen Interessierten frei.
Veranstalterinnen:
Prof. Dr. Daniel Tyradellis (Humboldt-Universität zu Berlin)
Dr. Alia Rayyan (Humboldt-Universität zu Berlin)
Dr. Laura Goldenbaum (Stiftung Humboldt Forum im Berliner Schloss)
Ort und Zeit:
8. Januar 2025,
18 bis 20 Uhr
im Saal 3, EG, Humboldt Forum, Schlossplatz.
Tatjana Thelen lehrt als Sozialanthropologin an der Universität Wien. Nach dem Studium in Köln promovierte sie an der Freien Universität Berlin und habilitierte sich an der Martin-Luther-Universität Halle/Wittenberg. Zu den Stationen ihrer wissenschaftlichen Laufbahn zählen das Max Planck Institut für ethnologische Forschung sowie die Universitäten Zürich und Bayreuth. 2023 lehrte sie in Stanford und 2020-2021 war sie Fellow am Institute for Advanced Study in Paris. Zu ihren Forschungsthemen gehören Sorge, Staat und Verwandtschaft. Sie führte Feldforschungen in Ungarn, Rumänien, Serbien und Deutschland durch.