Meral Karacaoglan – Assoziatives Kuratieren: Die Kunstkammer im Humboldt Forum

Wenn wir ein ethnologisches Museum im europäischen Westen betreten, neigen wir dazu zu vergessen, dass die Objekte, die wir sehen, mit Emotionen verbunden waren, als sie von ihren früheren Besitzern benutzt wurden. Eine kuratorische Besonderheit der Kunstkammer, der ersten Kunstsammlung im ursprünglichen Berliner Schloss, die hier von etwa 1600-1750 aufbewahrt wurde, war die Möglichkeit, verschiedene Objektzusammenhänge zu assoziieren. Es gab noch keine strikte Unterscheidung zwischen den Disziplinen, nach denen Museen heute kulturelle Artefakte zum Beispiel als „ethnographisch“ oder „Kunstwerk“ kategorisieren.

Tauchen wir ein in die Vergangenheit und nutzen wir die Gelegenheit, kulturelle Artefakte mit Emotionen zu verknüpfen. Bringen wir die Gegenwart der Kunstkammer (teilweise) in unser Bewusstsein. Als alternative Erzählung untersuche ich, wie viel Kunstkammer heute noch in der Präsentation der Ethnologischen Sammlung im Humboldt Forum auftaucht und inwieweit der Mehrwert dieser historischen Ausstellungspraxis, der vor allem in der assoziativen Rezeption der Objekte liegt, ein Bewusstsein für die vielfältige Herkunft der Objekte schaffen kann.

Die Kunstkammer hat ihren kaiserlichen Ursprung im 16. Jahrhundert und war ursprünglich als Staatsschatz konzipiert. Im Laufe des 17. Jahrhunderts wurde dieser Staatsschatz mehr und mehr nach bestimmten pädagogischen Gesichtspunkten kuratiert. In diesem Zuge wurde er im späten 18. Jahrhundert für die Öffentlichkeit zugänglich gemacht und „musealisiert“. Diese Kunstsammlung bildet bis heute die Grundlage für große Teile der gesamten historischen Museumslandschaft in Berlin, wobei die Objekte der Kunstkammer neben Objekten aus anderen Kontexten in die Ausstellung des Ethnologischen Museums integriert sind. Die Ausstellung folgt einem kuratorischen Narrativ, das zumeist die Herkunft der Objekte vor ihrer Existenz in Berlin thematisiert (sofern bekannt). Ein anderer Teil der Biografien dieser Objekte wird jedoch durch ihre Zeit in der Kunstkammer konstituiert, wo die Objekte von einer vielfältigeren Auswahl an Objekten umgeben waren als heute, was zu interdisziplinären kuratorischen Konzepten führte.

Wir dürfen nicht vergessen, dass wir die meisten Objekte, die ein fester Bestandteil der Kunstkammer waren, nicht mehr sehen und dass sich Bedeutungen und Assoziationen je nach Kontext verschieben. Welche Gefühle assoziieren wir mit dem, was wir heute im Museum sehen? Konzipiert als Rundgang durch das Ethnologische Museum, wird der Besucher zu Artefakten geführt, die bereits Teil der Kunstkammer waren. Durch die Verknüpfung verschiedener Objektbiografien versuche ich, an die kuratorische Intention der ursprünglichen Kunstkammer anzuknüpfen, nämlich interdisziplinäre Assoziationsketten herzustellen und emotionale Verbindungen zwischen den nicht mehr sichtbaren Objekten zu erkennen.

Format: Tour

Materialien: Beamer-Projektion historischer Fotografien der Kunstkammer Objektfotografien auf Papier gedruckt, Tour Kunstkammer, Feedbackbogen Gefühle

Über die Beitragende:
Meral Karacaoglan studierte Kunstgeschichte in Berlin, Paris und Istanbul. Derzeit schreibt sie ihre Magisterarbeit unter der Betreuung von Prof. Dr. Horst Bredekamp über Repräsentationen von weiblicher Identität in der Malerei des 19. Jahrhunderts in der Alten Nationalgalerie Berlin und deren Auswirkungen auf die Sammlungspraxis des Museums damals und heute. Im Rahmen des Forschungsprojekts Museums and Society – Mapping the Social legte sie während ihres Studiums einen Schwerpunkt auf die Kunstgeschichte als Kulturgeschichte sowie die Museumsgeschichte. Meral wird im Februar 2024 eine Stelle als kuratorische Assistentin der hauseigenen Kunstsammlung des UN-Sekretariats in New York City antreten.