A.Bauer Männliche Herrlichkeit Gottes

Objekt des Monats: Ein starkes Stück: Annemirl Bauer, Männliche Herrlichkeit Gottes, 1988

Objekt des Monats 09/2023

Anklagend, schockierend, melancholisch – das großformatige Bild von Annemirl Bauer ist ausdrucksstark. Von den Augen einer mittig platzierten Frauenfigur, in Häftlingskleidung auf einer Kiste kauernd, gehen Strahlen zu beiden Seiten des Bildes aus. Links steht eine Reihe nackter Frauen mit hochhackigen Schuhen in Reih und Glied, die Vorderste streckt die bewaffnete Hand aus. Hinter ihr sind weitere Figuren, z. T. mit übergroßem Phallus. Die Pistole weist auf die rechte Bildseite mit einer aus Krücken gekreuzigten Frauenfigur, aus deren Schoß Blut strömt. Eine männliche Armee, in Köpfen angedeutet am unteren rechten Bildrand ist mit der Anrufung der Dreifaltigkeit beschrieben. Die düsteren, gewaltsamen und sexualisierten Bildszenen werden nur ganz am rechten Bildrand konterkariert durch eine im goldenen Lichtschein stehenden Mutter mit Kind, allen Anfeindungen zum Trotz aufrecht und ruhig dastehend.

Der Titel „Männliche Herrlichkeit Gottes“, im Bild präsent durch Schriftzeichen am Himmel bzw. auf einer Rakete, verweist ebenso auf die (von Männern verübten) Schrecken des Krieges und der Gewalt wie auf die Rollen der Frau – als Opfer, als Täterin, als Mutter

A.Bauer Männliche Herrlichkeit Gottes
Annemirl Bauer, Männliche Herrlichkeit Gottes, Öl/ Teppich, 208 x 246 cm, 1988

Seit 2018 hängt das Bild als eines der wenigen in der Öffentlichkeit noch präsenten Werke von Annemirl Bauer in der Humboldt-Universität. Die streitbare Malerin, selbst von der Stasi überwacht, aus dem Künstlerverband der DDR ausgeschlossen und mit nachfolgendem Arbeitsverbot belegt, setzte sich immer wieder mit feministischen Themen auseinander. Die „Männliche Herrlichkeit Gottes“ lässt sich darüber hinaus ganz konkret mit dem Wehrpflichtgesetz für Frauen in der DDR, den „Frauen für den Frieden“, aber auch mit der in der Bundesrepublik inhaftierten Feministin Ingrid Strobl in Verbindung bringen.

1982 wurde ein neues Wehrdienstgesetz erlassen, das auch Frauen im Mobilmachungsfall zur Landesverteidigung herangezogen hätte. Dagegen haben 150 Frauen in einem gemeinsamen Plädoyer an Erich Honecker protestiert: „Wir Frauen wollen den Kreis der Gewalt durchbrechen und allen Formen der Gewalt als Mittel zur Konfliktlösung unsere Teilnahme entziehen. […] Wir Frauen verstehen die Bereitschaft zum Wehrdienst als eine Drohgebärde, die dem Streben nach moralischer und militärischer Abrüstung entgegensteht und die Stimme der menschlichen Vernunft im militärischen Gehorsam untergehen läßt.“ (Eingabe zum Wehrdienstgesetz an den Staatsratsvorsitzenden Erich Honecker, 12. Oktober 1982)
Dieser pazifistischen Kritik folgte eine Welle von Vernehmungen durch die Staatssicherheit, Einschüchterungen und Verhaftungen – bspw. auch der politisch aktiven Malerin und Hauptunterzeichnerin Bärbel Bohley, die ebenso wie Annemirl Bauer im Verband Bildender Künstler der DDR organisiert war, aus dessen Bezirksvorstand sie 1983 ausgeschlossen wurde.

Ingrid Strobl wiederum, eine österreichische Journalistin, die von 1979 bis 1986 Redakteurin der Zeitschrift Emma in Köln war, wurde 1987 als Terrorismusverdächtige in Untersuchungs- bzw. Isolationshaft genommen. Sie war dabei gefilmt worden, wie sie einen Wecker kaufte, der vom BKA präpariert worden war und 1986 beim Anschlag auf das Verwaltungsgebäude der Lufthansa in den Überresten einer Bombe identifiziert werden konnte. Der Anschlag gegen die Lufthansa, verübt von der Organisation „Revolutionäre Zellen“, hatte ebenfalls einen feministischen Hintergrund und zielte auf den Sextourismus („staatlichen Rassismus, Sexismus und das Patriachat“, wie die Revolutionären Zellen selbst angaben, vgl. Ingrid Strobl: Vermessene Zeit. Der Wecker, der Knast und ich, Hamburg 2020). Strobl erhielt nach ihrer Verhaftung öffentliche Solidarität.

Auch ohne die Kenntnis dieser historischen Hintergründe wirkt das Werk von Annemirl Bauer durch seine offensive Bildsprache, die auch mit religiösen Motivzitaten spielt.
Trotz aller Kritik – insbesondere auch gegen die Ablehnung von Annemirl Bauer immer wieder geforderten Reisemöglichkeiten „mit Wiederkehr“ – war die Künstlerin keine Dissidentin und wollte die DDR nicht verlassen. Die gesellschaftlichen und politischen Strukturen verändern, das war zeitlebens ihr Kampf, den sie kurz vor dem Mauerfall im Sommer 1989 durch ihren frühen Tod verlor.
Seit 2010 erinnert ein nach ihr benannter Platz in Friedrichshain am Bahnhof Ostkreuz an die streitbare Künstlerin.

Autorin: Dr. Christina Kuhli