Viktoria Tkaczyk ist Professorin für Medien und Wissen im Fachgebiet Medienwissenschaft der Humboldt-Universität zu Berlin.
Thinking with Sound unternimmt eine Historisierung der auditiven Neurowissenschaften, ein interdisziplinäres Forschungsgebiet, das derzeit stark expandiert. Das Buch zeichnet nach, wie die Identifizierung des auditiven Cortex in der Neuroanatomie der 1860er Jahre sehr verschiedene Disziplinen zu neuen Theorien eines „Denkens in Klangbildern“ inspirierte.
Ferdinand de Saussure interpretierte das „akustische Bild“ als Schlüssel zur menschlichen Sprache, Sigmund Freud näherte sich der menschlichen Psyche über das auditive Unbewusste an, für Henri Bergson bewiesen imaginäre Klänge die Unabhängigkeit des Geistes von der physischen Wahrnehmung, Ernst Mach erklärte das vergleichende Hören zur zentralen Methode der Experimentalphysik, Carl Stumpf ging von kulturell geprägten Tonvorstellungen aus und nutzte diese für kulturvergleichende Studien.
In seinen verschiedenen Ausprägungen verband der Topos eines „Denkens in Klangbildern“ an der Wende zum 20. Jahrhundert eine akademische Landschaft, die sich in zunehmend spezialisierte Forschungsbereiche aufspaltete. Dabei übten geistes- und naturwissenschaftliche Fachgebiete einen buchstäblich disziplinierenden Einfluss auf die Sprech-, Hör- und Denkweisen ihrer Zeit aus – gestützt auf zahlreiche neue Medientechnologien, aber auch eng verbunden mit kolonial-, imperial- und nationalpolitischen Programmen.