Archiv der Kategorie: Lautarchiv

DZK-Projekt „Towards Sonic Resocialization“ am Lautarchiv

Das Deutsche Zentrum Kulturgutverluste fördert vom 1.3.2024 bis zum 28.2.2026 das Forschungsprojekt „Towards Sonic Resocialization“ am Berliner Lautarchiv. Erstmals stehen damit nicht Objekte, sondern Tonaufnahmen im Mittelpunkt der Forschung. Das Lautarchiv untersucht seine Sammlung von Aufnahmen Kriegsgefangener des Ersten Weltkriegs, die in den Kolonien für die Armeen europäischer Mächte rekrutiert worden waren. Darunter befinden sich 456 Tondokumente von afrikanischen Gefangenen in deutschen Lagern.

Die digitalisierten Aufnahmen und die zugehörigen historischen Schriftdokumentationen sollen mit dem Institut Fondamental d‘Afrique Noire im senegalesischen Dakar sowie perspektivisch mit weiteren afrikanischen Archiven geteilt werden. In diesem Zuge werden auch die bisherigen Metadaten des Lautarchivs einer kritischen dekolonialisierenden Onomastik unterzogen. Das bedeutet, dass die entstandenen Kategorien und Begrifflichkeiten, die im Zuge der Kolonialisierung entstanden, hinterfragt und überarbeitet werden.

Besonders wichtig ist dem Projekt hierbei von Beginn der proaktiven Austausch mit den jeweiligen Source Communities und die Kooperation mit ihnen. Für die Übersetzungen der aufgenommen Texte und Dokumentationen werden Individuen aus den Herkunftsländern eingestellt. Zudem wird Provenienzforschung zu den Herkunftsorten der Kolonialsoldaten durchgeführt und genealogische Forschung betrieben, um mögliche Nachfahren ausfindig zu machen.

Das Projekt möchte ein Modell schaffen für den zukünftigen Umgang mit kolonialem Erbe in Klangarchiven. Perspektivisch soll dies nicht nur mit Aufnahmen von Sprechern vom afrikanischen Kontinent, sondern mit allen kolonialen Aufnahmen des Lautarchivs durchgeführt werden.

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Schellackplatte Lautarchiv – Foto © Christopher Li

Qualifikationsarbeiten zum Lautarchiv 2023

Im Jahr 2023 haben drei Studentinnen ihr Master- bzw. Bachelorstudium mit einer Arbeit über ein Lautarchiv-bezogenes Thema erfolgreich abgeschlossen.

An der Universität Aarhus ist eine Masterarbeit von Nikoline Jørgensen im Fachbereich Comparative Literature (Lehrstuhl Prof. Marianne Ping Huang) zum Thema ‘A decolonial universal museum? A reading of metamuseal stories of decoloniality at Berlin’s Humboldt Forum’ unter Berücksichtigung des Lautarchivs entstanden. Nikoline hatte im Vorjahr ein dreimonatiges Praktikum am Lautarchiv absolviert.

In der Kulturwissenschaft der Humboldt-Universität (Lehrstuhl Prof. Christian Kassung) hat Paula Zwolenski ihr Bachelorstudium mit einer Arbeit zum Thema ‘Sensible Tonaufnahmen aus dem Archiv. Kommunikationsversuche und Selbstverortung in den Tonaufnahmen des indischen Kriegsgefangenen Baldeo Singh’ erfolgreich abgeschlossen.

An der Transkulturellen Musikwissenschaft der Humboldt-Universität (Lehrstuhl Prof. Sebastian Klotz) hat Sophie Ehmke ihr Bachelorstudium mit einer Arbeit zum Thema ‘Der postkoloniale Umgang mit den Kriegsgefangenenaufnahmen aus dem Ersten Weltkrieg im Lautarchiv Berlin’ erfolgreich abgeschlossen.

Herzlichen Glückwunsch!

Alle drei Arbeiten befinden sich in der Handbibliothek des Lautarchivs und können auf Wunsch nach Vereinbarung vor Ort eingesehen und gelesen werden. Nikoline Jørgensens Arbeit liegt gegenwärtig ausschließlich in dänischer Sprache vor (Et dekolonialt universelt museum? – En læsning af metamuseale fortællinger om dekolonialitet på Berlins Humboldt Forum).

Bitte wenden Sie sich an den Sammlungsleiter des Lautarchivs, Dr. Christopher Li.

Drei historische Schellackplatten finden ihren Weg zurück aus der Nasjionalbiblioteket Oslo ins Berliner Lautarchiv

Besonders bedeutsam: Die drei Platten galten bis dato in Berlin als Verlust; es existierten bislang auch keine Digitalisate. In Oslo wurden Digitalisate angefertigt und ebenfalls dem Lautarchiv übermittelt. Die Schellackplatten waren von dem Begründer des Lautarchivs Wilhelm Doegen (1877–1967) oder von dem Göttinger Iranist Friedrich Carl Andreas (1846–1930) an den norwegischen Indo-Iranist Georg Morgenstierne (1892–1978) verliehen worden. Über den Nachlass Morgenstierne gelangten sie in die norwegische Nasjionalbiblioteket.

Auf den Platten befinden sich die Stimmen von Ábdil Kadír Khan, Beidullah Khan und Shahdad Khan (Afghanisch und Belutschi).

Die Platten wurden mit offizieller Genehmigung des norwegischen Ministeriums und einer schriftlichen Erklärung der Nasjionalbibliotekek nach Berlin gebracht.

Das Lautarchiv bedankt sich insbesondere bei Johanne Ostad, Bente Granrud und Włodek Witek von der Osloer Nasjionalbiblioteket.

Irene Hilden: Absent Presences in the Colonial Archive. Dealing with the Berlin Sound Archive’s Acoustic Legacies

Irene Hildens Dissertation über das Berliner Lautarchiv ist bei Leuven University Press in englischer Sprache erschienen.

Die Arbeit fokussiert Tonaufnahmen, die unter kolonialen Bedingungen produziert wurden. Sie untersucht Klangobjekte und Hörpraktiken, die “absent presences” kolonialer Subjekte aufzeigen, denen in den etablierten nationalen Erzählungen und kollektiven Erinnerungen wenig oder gar kein Platz eingeräumt wird.

Irene Hilden ist Postdoktorandin am Centre for Anthropological Research on Museums and Heritage (CARMAH) der Humboldt-Universität zu Berlin.

Auch im Open Access als Ebook verfügbar.

Gefangene Stimmen. Tonaufnahmen von Kriegsgefangenen aus dem Lautarchiv 1915 – 1918

Die Kulturwissenschaftlerin Britta Lange erforschte Tonaufnahmen von männlichen Kriegsgefangenen aus dem Lautarchiv der Humboldt-Universität zu Berlin, angefertigt in deutschen Lagern, von Wissenschaftlern der Königlich Preußischen Phonographischen Kommission während des Ersten Weltkriegs. In diesem Buch geht sie jenen Stimmen nach, die heute auf Schellackplatten erhalten sind. Jedes Kapitel stellt dabei eine neue Begegnung dar und wirft vielschichtige Fragen auf: Wie können die historischen Zeugnisse heute nicht nur gehört, sondern auch erhört werden? Und welche Formen der Übersetzungen fordern sie heraus? In mehrfacher Hinsicht gefangen offenbaren die Stimmen in dieser umfangreichen Studie nicht nur ihre historische Gemachtheit als Tonaufnahme, sondern sie sind auch in der Lage, gegenwärtige Deutungen von archivarischer und wissenschaftlicher Praxis zu reflektieren.

Das Buch Gefangene Stimmen von Britta Lange ist ab sofort auch in englischer Sprache als eBook unter dem Titel Captured Voices erhältlich, in einer vom Deutschen Übersetzungsfonds geförderten Übersetzung von Rubaica Jaliwala.

 

Lautarchiv: Umzug in das Humboldt Forum

Das Lautarchiv soll 2022 als einzige Universitätssammlung der Humboldt-Universität vollständig in das Humboldt Forum einziehen. Neben dem Humboldt-Labor als flexiblem Ausstellungs- und Veranstaltungsort bildet es damit die zweite Säule der HU im Humboldt Forum.

Geplant ist der Aufbau einer Forschungsstelle, die vielfältige Zugänge zu den Aufnahmen ermöglichen soll. Selbstverständlich soll auch die Einbindung des Lautarchivs in die Lehre fortgesetzt werden und die Sammlung für die Aktivitäten Externer weiterhin zur Verfügung stehen.

Auch das Phonogrammarchiv des Ethnologischen Museums Berlins, das mit dem Lautarchiv über die Aufnahmetätigkeit der Phonographischen Kommission in Kriegsgefangenenlagern des Ersten Weltkriegs verbunden ist, wird im Humboldt Forum seinen neuen Ort finden. Es wird damit künftig wesentlich einfacher sein, in der Forschung, der Lehre und im Rahmen kultureller Aktivitäten die Bestände des Lautarchivs und des Ethnologischen Museums aufeinander zu beziehen.

Für das Lautarchiv ist keine eigene öffentliche Präsentationsfläche vorgesehen. Vielmehr ist geplant, mit der Ausstellung des Landes Berlin im Humboldt Forum ebenso zu kooperieren wie mit dem Ausstellungsbereich Musikethnologie des Ethnologischen Museums.

Dr. Alia Mossallam ist Gastwissenschaftlerin im Lautarchiv

Das HZK begrüßt Dr. Alia Mossallam als Gastwissenschaftlerin am Lautarchiv vom August 2020 bis März 2021. Alia Mossallam ist Kulturhistorikerin und forschte in ihrer Dissertation über eine populäre Zeit der Geschichte Ägyptens unter Gamal Abdel Nasser als Minister- und Staatspräsident. Dafür untersuchte sie die Lieder und Geschichten der Menschen, die zu wichtigen Ereignissen der Revolution von 1952 beigetragen haben (der Bau des Assuan-Hochdammes und die Kriege von 1956 und 1967).
Sie lehrte an der American University in Cairo (AUC), dem Cairo Institute for Liberal Arts and Sciences (CILAS), der Freien Universität Berlin (FU) und hielt die Reihe der Geschichtsworkshops ‚Ihky ya Tarikh‘ (Sprich, Geschichte) mit Studenten, Aktivisten und Künstlern in Regierungsbezirken ganz Ägyptens, als ein Experiment zur Geschichtsschreibung. Außerdem hat sie sich zusmamen mit Laila Soliman und Hassan El-Geretly mit dem Schreiben von Theaterstücken beschäftigt, um Geschichten (und Lieder) des Kampfes auf die Bühne zu bringen.
Zu ihren Veröffentlichungen gehören ein Artikel über Jugendaktivismus im Sammelband Democratic Transition in the Middle East, eine Arbeitergeschichte über den Assuan-Hochdamm im Journal of Water History und ein Artikel über Geschichtsworkshops in Ägypten im History Workshop Journal. Sie hat auch für Mada Masr, Jadaliyya und Ma’azif geschrieben.
Gefördert wird der Gastaufenthalt am HZK von der Alexander von Humboldt-Stiftung.