Objekt des Monats 12/2025
Viele altehrwürdige Universitäten besitzen eine Professoren- oder Rektorengalerie. Die Berliner, Friedrich-Wilhelms bzw. Humboldt-Universität kann zwar auch auf eine lange Reihe von Rektoren (später Präsidentinnen und Präsidenten) zurückblicken. Allerdings hat sich ihre bildliche Repräsentation (im Gegensatz zu den Gelehrtenbüsten) erst in den 1980er Jahren etabliert. In Vorbereitung auf das Universitätsjubiläum 1985 setzte man mit den von Heinz Wagner gemalten Porträts von Johann Gottlieb Fichte und Johannes Stroux einen klaren Akzent: Der erste Rektor der Berliner Universität 1811/12 sowie der erste Rektor nach der Wiedereröffnung 1946/47 sollten im Sinne einer Traditionsbildung unter Aussparung sowohl der nationalsozialistischen als auch der spätbürgerlichen Vergangenheit das neue Selbstverständnis der Humboldt-Universität repräsentieren. Für den Senatssaal sollten auch die folgenden Rektoren gemalt werden – nur Hermann Dersch wurde von der Vorschlagsliste gestrichen, der Jurist war 1951 in den Westen an die Universität Köln gegangen.
Gemäß dieser Auswahl war auch die Gestaltung der Porträts politisch abgesegnet. Auf den ersten Blick erscheinen die Bildnisse durchaus unterschiedlich: mal sitzend, mal stehend, mit und ohne Attribute, in Aktion oder in sich ruhend, tragen fast alle Rektoren zwar die Amtskette, aber keiner einen Talar. Am Beispiel des Porträts von Karl-Heinz Wirzberger, dessen Amtszeit in die Jahre 1967 bis 1976 fiel, lässt sich dies als eine bewusste Vorgabe verstehen.
Ursprünglich sollte Wirzbergers Bildnis von dem bekannten Leipziger Maler Werner Tübke angefertigt werden. Wie es seiner Arbeitsweise entsprach – thematisch und malerisch setzte er vielfach auf historische Bezugnahmen –, wollte er den Rektor im Talar darstellen. Die angefragte Ausleihe des Ornats aus dem Traditionskabinett wurde jedoch von der Kulturkommission der SED-Kreisleitung und der Forschungsstelle Universitätsgeschichte unterbunden. In der Begründung wurde nicht nur auf die mit der 3. Hochschulreform 1968 vollzogene Aufgabe der Talare hingewiesen, sondern auch auf die Vermeidung öffentlichkeitswirksamer Missverständnisse gedrängt. Andernfalls könne die Darstellung „bei heute noch vorhandenen Meinungsverschiedenheiten über die damals getroffenen Entscheidungen auch zu Interpretationen führen, die nicht im Sinne der damals getroffenen Maßnahmen sind“ (HU, Kustodie, Brief von Walter Mohrmann an Rektor Helmut Klein, 14. Dezember 1982 (Durchschlag)). So legte man es auch für die anderen Porträts fest. Insbesondere der Pinselduktus der meisten Porträts – so bei Walter Friedrich von Heinrich Tessmer (1984), Werner Hartke von Arno Rink (1987) oder Kurt Erich Schröder von Walter Womacka (1985) – sowie Bildausschnitt und Positionierung der Dargestellten lassen die Rektorenreihe lebendig und individuell erscheinen.
Dass der Anglist Wirzberger als Rektor dargestellt ist, erschließt sich hingegen nicht sofort. Das Porträt wirkt wie eine lebendige Momentaufnahme: Wirzberger, in dunklem Anzug mit Krawatte, blickt von seiner Arbeit zu den Betrachtenden auf, das gerade bearbeitete Schriftstück noch in Händen und bereit zum Ablegen auf den bereits fertigen Stapel. Der Schreibtisch, an dem er sitzt, trennt ihn vom Betrachterraum und bildet zugleich eine räumliche Einheit mit dem Hintergrund. Mit dieser arbeitsamen Pose hebt sich das Porträt von den anderen, deutlich repräsentativeren Rektorenporträts der 1980er Jahre ab.
Auch nach dem Ende der DDR wurde die Porträtreihe fortgesetzt – nunmehr mit Universitätspräsidentinnen- und Präsidentenporträts, wobei die Dargestellten nun selbst eine Künstlerin oder einen Künstler und auch die Art ihrer Repräsentation auswählen dürfen. Mit Marlis Dürkop-Leptihn kam erstmals eine Frau in dieses Amt und die Soziologin entschied sich für eine Künstlerin für ihr Bildnis (2006). Mit Ruth Tesmar, langjährige Professorin für künstlerisch-ästhetische Praxis an der HU und Leiterin des Menzel-Dachs, vollzieht sich zudem ein Medienwechsel – die Collage mit Fotos und Schrift auf Glas als Bildträger löst das klassische Ölgemälde ab und vermittelt eine vielseitig interessierte Persönlichkeit und ein vielschichtiges Amt.
Ganz ins Private nimmt uns hingegen Sabine Curio mit ihrer Darstellung Jürgen Mlyneks (2009) mit. Der Physiker und Rektor von 2000 bis 2005 steht an einem Pult vor einer Terrassentür mit Blick ins Grüne. Mlynek, im Profil, ist versunken beim Abfassen oder Redigieren eines Textes und nimmt den Betrachter nicht wahr, so dass man glaubt, einen Blick in das private Arbeitsumfeld zu werfen. Die Medienvielfalt setzt sich schließlich mit den Fotografien von Herlinde Koelbl fort, die die letzten Präsidenten Christoph Markschies (in schwarz-weiß) und Sabine Kunst (farbig) für ihre Porträts gewählt haben.
Auch wenn der Bestand an Rektoren-/Präsidentenporträts überschaubar ist, vermittelt er dennoch das Bild einer lebendigen Universitätsgeschichte mit Zukunft.
Autorin: Christina Kuhli