Archiv der Kategorie: Aktuelles

Ein dekoloniales Quartett zu den Benin-Bronzen: Interview mit Vincent Leonhardt

Einblicke in das Programm „Lernen und Lehren mit der Gesellschaft“

Das folgende Interview führte Marlene Lüdorff, studentische Hilfskraft am Zentrum für Kulturtechnik, mit Vincent Leonhardt, Teilnehmer des Seminars Overloaded – Interimperial Entanglements of Material and Photographic Collections im August 2025. Das Master-Seminar wurde im Sommersemester 2025 am Institut für Europäische Ethnologie unter der Leitung von Prof. Dr. Magdalena Buchczyk, Dr. Hanin Hannouch (Weltmuseum Wien) und Anna Szöke (Ethonologisches Museum Berlin) durchgeführt und im Rahmen des Förderprogramms Lernen und Lehren mit der Gesellschaft vom Kompetenzfeld Wissensaustausch mit der Gesellschaft am Zentrum für Kulturtechnik unterstützt, das insbesondere die Abschlussveranstaltung Café Interimperial ermöglichte.

 

Marlene Lüdorff: Hallo Vincent! Schön, dass du hier bist! Worum ging es im Seminar Overloaded Interimperial Entanglements of Material and Photographic Collections insgesamt und wie hat sich daraus die Idee für das Café Interimperial entwickelt?

Vincent Leonhardt: Das Projekt Overloaded! rückt die Archive Europäischer Museen in den Fokus und zeigt, wie imperialer Ballast in den Sammlungspraktiken nachwirkt. Es geht darum, wie die verschiedenen kolonialen Imperien historisch untereinander verbunden sind und interimperial arbeiten. Dabei geht es auch darum, inwiefern durch Verbindungen zwischen den verschiedenen Imperien ein gesamtes imperiales System gestärkt wird. In dem Seminar haben wir mit dem Weltmuseum Wien und dem Ethnologischen Museum Berlin zusammengearbeitet und haben uns mit verschiedenen Archivalien aus den Archiven befasst.

Die Idee für das Café Interimperial hat sich daraus entwickelt, dass jede studierende Person in dem Seminar ein Forschungsprojekt machen musste. Angefangen hat die Arbeit immer mit Stücken aus dem Archiv und dem Museum, das war sehr praxisorientiert. Unsere Idee war es mit dem Café Interimperial eine Ausstellung zu präsentieren mit Stücken, die auch zum Beispiel im Museum sein könnten, und wodurch Besucher:innen sich eine weitere Sicht auf die historischen Ereignisse bilden können. Für die Darstellung der Forschungsresultate konnten wir dann durch die Förderung Lernen und Lehren mit der Gesellschaft das Cafe InterImperial umsetzen. Das Café Interimperial war inspiriert von einem Wiener Kaffeehaus, um halt ein bisschen dieses Imperiale nochmal überspitzt darzustellen und war dementsprechend sehr kontrastreich zu unserer postkolonialen Forschung. Dadurch ergab sich ein schönes Spannungsfeld zwischen dem Ausstellungsraum und unseren Forschungsergebnissen.

Wie habt ihr diesen Ansatz von Lernen und Lehren mit der Gesellschaft im Seminar konkret umgesetzt? Also wie seid ihr mit Fragen, Wissen und Erfahrungen aus der Gesellschaft in Kontakt getreten?

Grundsätzlich geht es ja darum, dieses koloniale Erbe zu verstehen und damit zu arbeiten. Das ist auch bei uns am Institut für Europäische Ethnologie eines der Hauptthemen. Das lässt sich zum Beispiel an der neulichen Umbenennung von der M-Straße in die Anton-Wilhelm-Amo-Straße, ein Prozess, der viele Jahre gedauert hat und jetzt endlich durchgesetzt wurde, erkennen.

Diesen gesellschaftlichen Diskurs haben wir auch aufgegriffen. Und wie sind wir da mit den Fragen, Wissen und Erfahrungen aus der Gesellschaft in Kontakt gekommen? Ja, im Grunde halt gerade durch die Kooperation mit dem Objektlabor (am Zentrum für Kulturtechnik). Diese hat uns die Möglichkeit und den Raum gegeben, durch das Café Interimperial einen sehr großen Austausch mit allen möglichen Personen zu kreieren, die partizipieren konnten. Dieser Austausch war auch für mein Projekt sehr hilfreich.

Mit welchem Thema oder Objekt hast du dich persönlich im Seminar beschäftigt und wie bist du darauf gestoßen?

Ich habe mich mit der postkolonialen Vermittlung durch spielerische Ansätze am Beispiel der Restitution der Benin-Bronzen beschäftigt und mich dazu entschieden, ein dekoloniales Brettspiel zu entwickeln. Die Restitution und Neuinterpretation koloniale Artefakte wie der Benin-Bronzen bleibt weiterhin ein zentrales Thema. Diese Bronzen wurden 1897 von britischen Truppen aus dem Königreich Benin, dem heutigen Nigeria, geraubt und befinden sich heute in vielen europäischen Museen, darunter auch in dem Ethnologischen Museum in Berlin. Dort hat die Restitution inzwischen begonnen, die kulturellen Objekte wurden zurückgegeben und stehen als Leihgabe weiterhin im Museum.

Wie bin ich darauf gekommen? Das hat angefangen mit einer Objektstudie über die Idia Iyoba, dem Gedenkkopf einer Königinmutter. Das ist eines der Hauptstücke der Benin-Ausstellung im Ethnologischen Museum. Ich habe mich zunächst mit der Provenienz beschäftigt. Ich hatte vor etwas Praktischeres zu machen und habe schon während meines Bachelorstudiums ein Brettspiel entwickelt. Durch viel Feedback habe ich schließlich ein dekoloniales Quartett mit 32 Karten kreiert, in dem acht Benin-Bronzen ihre eigenen Geschichten erzählen. Ich habe dabei die Theorie der Critical Fabulation von Saidiya Hartmann angewendet, das ist eine Erzählweise, die Lieferungslücken kolonisierter Gesellschaften mit spekulativen Narrativen füllt. Mit dieser Methode sprechen die acht Objekte aus der Benin Ausstellung in Berlin und erzählen ihre Geschichte. Jedes Quartett behandelt in vier Karten die Entstehung, den kolonialen Raub, die Gegenwart und eine imaginative Zukunft des jeweiligen Objekts. Und so erfahren die Spielenden durch das Sammeln eines Quartetts die Geschichte, beispielsweise von der Königinmutter Idia Iyoba aus ihrer eigenen Perspektive.

Bei der imaginativen Zukunft bin ich in verschiedene Richtungen gegangen, zum Beispiel hat ein kulturelles Objekt, weil es so lange aus seinem Heimatland getrennt wurde, den Willen zu Leben verloren und zerfällt. Dann stehen auch sehr viele Objekte im Archiv in Dahlem und sind für niemanden sichtbar. Und da kann es natürlich auch in der Zukunft sein, dass diese Objekte niemals gesehen werden und dass sich die Objekte sehr einsam fühlen. Aber ich bin auch in andere Richtungen gegangen, es wurden ja auch schon Stücke restituiert und sind in Nigeria und ich habe auch diese Perspektive präsentiert. Sowie auch eine Perspektive, wo alle gestohlenen Kunstwerke wieder zurückgekehrt sind und alle in einem Museum sind. Ich habe auch eine Figur genommen, die mich als Studierenden und als Forscher kritisiert, um auch diese Perspektive zu zeigen, dass auch ich als studierende Person sorgfältig mit den Geschichten umgehen muss, da es nicht meine Geschichte ist. Also durch dieses koloniale Erbe ist das auch meine Geschichte, aber in der Perspektive des Schuldigen.

Und im Quartett tauschen die Spielenden die Karten aus und das Spiel ist trotzdem dekolonial gestaltet, denn es gibt keinen Gewinner. Es geht einfach darum die Karten zu sammeln und wenn man die Karten sammelt, dann ergibt sich ein Quartett und das kann man dann zum Beispiel vorlesen. Und dann ergänzen sich die Karten auch visuell in dem Kartenspiel. Man legt die Karten ab und füllt dadurch das Spielbrett aus und dadurch legt man auch sein Wissen ab, also man behält das Wissen, aber man legt den Wert des Objekts quasi ab, dorthin wo es hingehört.

Wie kann man sich denn die Ausstellung deines Projektes beim Café Interimperial vorstellen?

Die kann man sich so vorstellen, dass wir als Studierende unsere Forschungsresultate zum größten Teil multimodal präsentiert haben. Das heißt, ich hatte einen Tisch und da war dieses Brettspiel ausgestellt und dann konnten sich die Besucher:innen an den Tisch setzen. Sobald genug Besucher:innen da waren, konnte das Spiel gespielt werden und man sich gegenseitig nach Spielkarten abfragen. Durch den Austausch war es möglich, auf der einen Seite für mich als forschende Person mehr über meine Forschung und Forschungsfrage zu erfahren, aber auch für die besuchenden Personen sich weiterzubilden über das koloniale Erbe Deutschlands und somit Denkanstöße zu bekommen. Ja, und ich habe halt auch, das war richtig gut, sehr viel Feedback bekommen oder mir sind Sachen aufgefallen, die mit dem Spiel noch nicht so gut funktioniert haben. Das ist eine sehr große Lernkurve gewesen. Da Anna Szöke auch Teil des Seminars war, hatte ich zudem auch die Möglichkeit mein Spiel im Benin Raum im Ethnologischen Museum für einen Tag auslegen zu können. Dafür bin ich einen Samstag den ganzen Tag hingegangen und habe mit den Personen vor Ort gespielt und mit ganz vielen Besucher:innen geredet. Das war eine richtig gute Erfahrung.

Wie war die grundlegende Resonanz von Besucher:innen bei der Ausstellung des Spiels im Ethnologischen Museum und im Objektlabor im Zentrum für Kulturtechnik?

Die Resonanz ist durchgehend positiv gewesen. Jedoch zum Beispiel im Museum, wo ich war, da war ich einer viel größeren Bandbreite von Publikum ausgesetzt und da haben sich dann auch sehr viele Personen kritisch über die Restitution geäußert. Ihre Perspektive war, dass diese Werke deutsches Kulturgut sind und das die deutschen Museen sehr gut auf diese Kunstwerke aufpassen. Und das war sehr interessant, dort andere Perspektiven wahrzunehmen. Das sind sehr realle Perspektiven, die man zum Beispiel auch in der politischen Debatte im Bundestag sehen kann. Das war interessant, da auch mit Besucher:innen zu diskutieren,die dannvielleicht auch ihre Meinung ändern.

Mir ist besonders eine Begegnung im Kopf geblieben, das war eine Begegnung mit einem älteren Mann. Der hat sich eine Karte von meinem Spiel angeschaut. Und ich erinnere, wie ich mit diesem Mann halt über dieses Spiel geredet habe und dann über diese Karte. Der Mann meinte, dass dadurch, dass die Karte so persönlich zu ihm gesprochen hat, er der Meinung ist, dass eigentlich diese Figur, ja, dass die Restitution eine gute Sache ist und dass die Figuren ja eigentlich alle zurückkehren sollten. Ja, das hat mir halt die Bestätigung gegeben, dass ich mit meinem spielerischen Ansatz auf dem richtigen Weg bin und dass man dadurch aktiv Meinungen beeinflussen kann.

Was ist seit dem Café Interimperial mit deinem Projekt passiert und gibt es Pläne oder Ideen, wie es damit weitergeht?

Ja, auf der einen Seite bin ich weiterhin in Kontakt mit dem Ethnologischen Museum, um weiterhin an verschiedenen Tagen mein Spiel dort zu spielen. Zum Beispiel Sonntags gibt es auch immer eine Führung, wo mehr Zeit im Raum mit den Benin Bronzen verbracht wird. Da ergibt sich dann die Möglichkeit mit Personen, die sich wirklich sehr für dieses Thema interessieren und an einer Führung teilnehmen, auch nochmal in Kontakt zu kommen. Ich habe jetzt schon sehr viel Zeit in dieses Spiel investiert und deshalb würde ich auch gerne meine Masterarbeit über die Vermittlung von postkolonialem Erbe anhand spielerischer Theorien schreiben.

Ansonsten habe ich auch durch die Zeit im Museum und mit den Personen, die im Museum arbeiten, die Möglichkeit bekommen, ein Praktikum im Ethnologischen Museum anzufangen, was mir natürlich die Möglichkeit gibt, nochmal tiefer in das Thema einzutauchen und auch mir eine berufliche Zukunft näher zu bringen. Das war wirklich eine sehr große Unterstützung, die ich vor allem auch vom Ethnologischen Museum bekommen habe und das hat mich sehr motiviert, da auch einfach Zeit reinzustecken. Und jetzt, wenn wir da groß denken, also ich habe nicht vor, dieses Projekt jetzt auf die Seite zu legen, sondern ich würde das halt gerne weiterentwickeln und weiter ausstellen. Ich würde mich gerne auch für ein Austausch-Stipendium bewerben, um zum Beispiel nach Nigeria zu gehen und dort aktiv mit nigerianischen Museen an dem Projekt zusammenzuarbeiten, da ich einfach an diesem Feld der Vermittlung sehr viel Spaß habe.

Gibt es noch irgendwas, was du sagen willst?

Ich würde mich noch gerne bei Prof. Dr. Magdalena Buchczyk, bei Dr. Hanin Hannouch und bei Anna Szöke bedanken für die tolle Leitung des Seminars!

Lernen und Lehren mit der Gesellschaft im Wintersemester 2025/26

Wir freuen uns, dass dieses Wintersemester 9 Seminare durch das Förderprogramm „Lernen und Lehren mit der Gesellschaft“ mit einem Seed Funding von bis zu 1.000 Euro sowie inhaltlicher Beratung und methodischer Begleitung durch das Kompetenzfeld Wissensaustausch mit der Gesellschaft unterstützt werden können.

Falls Sie sich auch für eine solche Förderung interessieren, können Sie hier Informationen zu der vergangenen Ausschreibung finden. Die kommende Ausschreibung wird zeitnah auf dieser Website veröffentlicht und sich an der vergangenen Ausschreibung orientieren.

Wenn Sie auf das folgende Bild klicken, können Sie eine digitale Version unseres Programm-Flyers finden:


Die Seminare im Wintersemester 2025/2026

Im Rahmen der Förderung „Lernen und Lehren mit der Gesellschaft“ erkunden die Seminare, wie Lernen in und mit der Gesellschaft gestaltet werden kann. In Kooperation mit Künstler:innen, Kultureinrichtungen und zivilgesellschaftlichen Initiativen setzen sich Studierende im Wintersemester praxisnah mit Themen wie Migration, Kulturerbe, Umweltzerstörung und Regeneration auseinander, sowie mit Praktiken des Erinnerns, Zeigens und Vermittelns. Im Zentrum steht das forschende, transdisziplinäre Arbeiten an gesellschaftlich relevanten Fragen – mit einem Fokus auf Diversität, Teilhabe und Dekolonisierung.

Die Studierenden entwickeln in den Kursen Performances, Ausstellungen, Workshops und Audiowalks gemeinsam mit Kindern, Jugendlichen und verschiedenen Communities. Dabei reflektieren sie Bildungsprozesse und erproben neue Wege des Lernens und Lehrens in der Universität und im Stadtraum. Das Ziel der Kurse ist es, Lernen als gemeinschaftliche, kreative und gesellschaftlich wirksame Praxis zu gestalten.

Zu den 9 Seminaren:

1. Lern- und Bewegungsfelder unterrichten: Zirkus-/Tanzpädagogik und Choreographie

Bernadette Girshausen (Institut für Sportwissenschaft)

Plakat für die Circusschow „Alice im Wunderland“ mit einer Frau im blauen Kleid, die Spielkarten hält, vor einem rosa-lila Hintergrund. Enthält Termine der Aufführungen 2025 in Berlin und Logos der Veranstalter.

In Kooperation mit dem Jugendensemble „Showgruppe Altglienicke”, und Gästen im Seminar (Zirkusartist, Technikerin) wird eine Aufführung basierend auf Lewis Carrolls “Alice im Wunderland” im Stil des nouveau cirque entwickelt. Die Studierenden erproben dabei selbst Disziplinen und begleiten die Kinder/Jugendlichen bei der Showentwicklung. Das Stück wird am 12.12. um 18 Uhr und am 13.12. um 16 Uhr im Cabuwazi Altglienicke gezeigt.

 

Vorab laden wir Sie herzlich zu einer Work-In-Progress Präsentation am 21.11. um 16.30 Uhr ins Objektlabor am Zentrum für Kulturtechnik ein. Wir bitten um eine vorherige Anmeldung unter der folgenden Email-Adresse: wissensaustausch.zfk@hu-berlin.de

2. Einführung in die Deutschdidaktik in der Grundschule

Prof. Dr. Petra Anders (Institut für Erziehungswissenschaften)

Wie können Studierende einschlägige theoretische Modelle zum Thema Leseförderung nachhaltig begreifen, weiterentwickeln und zur Diskussion stellen? Durch die Einbindung der Gastkünstlerin am ZfK, Irina Demina, machen die BA-Studierenden ganzheitliche, praxisnahe Lernerfahrungen, in denen sie sich den Theorien choreografisch nähern. Sie präsentieren ihre Arbeit im Sinne des Community based learning den Kommiliton:innen sowie Lehrpersonen aus der Schule und bieten so vielfältige Reflexionsanlässe.

 

3. Literalität und Medienumgebungen; Theater für Kinder und Jugendliche

Maike Löhden (Institut für Erziehungswissenschaften); Dr. Ada Bieber (Institut für deutsche Literatur)

In der interdisziplinären Zusammenarbeit zweier Seminare werden Studierende des Grundschullehramtes für diverse Spielformen des Theaters in ihrem fachlichen Kontext sensibilisiert. Zusammen mit Theaterpädagog:innen der Komischen Oper und des Gripstheaters und mit Lehrkräften und Schüler:innen der Wilhelm-Hauff-Grundschule in Berlin Wedding werden die didaktisch-pädagogischen Potenziale von Theater als Teil literarischer und kultureller Bildung im Deutschunterricht der Grundschule erörtert und erprobt.

 

4. Law and Decolonization of Cultural Heritage in Europe

Dr. Vanesa Menéndez Montero *

Ausgehend von juristischen Fragen und Menschenrechten nutzt das Seminar transdisziplinäre Methoden, um das koloniale Erbe in der europäischen Kulturlandschaft zu untersuchen. Dabei werden Künstler:innen und Expert:innen, vor allem aus indigene und kolonisierten Communities als wichtige Wissensquelle einbezogen. Die Studierenden reflektieren, wie historische Ungerechtigkeiten in der europäischen Bildsprache (falsch) dargestellt sind und präsentiert eigene Projekte zu dekolonialen Praktiken im Objektlabor des ZfK.

 

5. Documenting Environmental Change: an exploration into audio-visual practices

Yasemin Keskintepe (Institut für Kunst und Bildgeschichte); Hanna Grzeskiewicz **

Das Seminar untersucht, wie künstlerische Praktiken Umweltzerstörung und Regeneration adressieren und fragt nach Weisen des Sehens und Hörens. Es fokussiert audio-visuelle Projekte, die ökologische Veränderungen und ihre Verflechtungen mit sozialer Ungerechtigkeit nachzeichnen. Wie können Sound- und Bildtechniken Zerstörung wahrnehmbar machen und zu regenerativen Praktiken beitragen? Zusammen mit Künstler:innen entsteht ein transdisziplinäres Labor aus Lektüren, Kunstwerken und Diskussion.

 

6. Artistic Responses to HIV/AIDS: Curating Exhibitions in Berlin

Samuel Perea-Díaz*

Das Seminar bietet eine kritische Auseinandersetzung mit der kuratorischen und Ausstellungspraxis in Berlin, mit einem Fokus auf die HIV/AIDS-bezogene Kulturproduktion von den 80er Jahren bis heute. Gespräche mit Künstler:innen und Kurator:innen sowie Besuche von Organisationen wie Schwules Museum, nGbK und WeAreVillage geben Einblicke in sich entwickelnde kuratorische Praktiken. Die Kursarbeit umfasst auch die Entwicklung eines konzeptuellen Ausstellungsvorschlags zum Thema Kunst und HIV/AIDS.

© Samuel Perea-Díaz

 

7. Echoes Across Borders: Navigating the musical tapestry of Berlin’s migration history

Dr. George Athanasopoulos (Institut für Musikwissenschaft) *

Das Seminar “Echos Across Borders” untersucht die Verbindung von Musik und Migration in Berlins Kulturszene. Es beinhaltet die Zusammenarbeit mit der Open Music School Berlin, ein Projekt des Vereins “Give something back to Berlin”. Neben beidseitigen Besuchen werden als Teil des Seminars musikpraktische Workshops im Objektlabor zusammen mit den Musikerinnen Kimia Bani und Yalda Yazdani durchgeführt.

 

8. Spatial Memory Practices in Berlin: Monuments, Voids, and Voices

Pablo Santacana López, Kandis Friesen *

Das Seminar erforscht umstrittene Raumerinnerung durch Denkmäler und Leerstellen, kulminierend in studentischen Audio-Walks im Volkspark Friedrichshain. Die Studierenden kollaborieren mit Erinnerungsaktivisten und Kulturpraktiker:innen, darunter Vincent Bababoutilabo (postkoloniale Erinnerungsarbeit), Künstlerin Miriam Schickler (Klangforschung) und Cashmere Radio (Community-Radiosender) zur Schaffung ortsspezifischer Werke zwischen Wissenschaft und Zivilgesellschaft.

 

9. Asia in Berlin: Curating (Im)material Heritage

Dr Mai Lin Tjoa-Bonatz, Felicitas von Droste zu Hülshoff *

Zusammen mit javanischen Kulturschaffenden wird eine Ausstellung zum Schattenspiel Indonesiens kuratiert. Schattenspielfiguren sind im Haus der Indonesischen Kulturen bis heute ein Bestandteil von Darbietungen. Basierend auf Theorien der Museumskunde und Provenienzforschung vermitteln die Expert:innen dieser traditionellen Praxis die sozio-kulturellen Hintergründe des Puppenspiels. Das Seminar reflektiert, wie diese Inhalte heute im Kontext von Diasporagemeinschaften in Berlin vermittelt werden können.

* die genannten Seminare finden im Rahmen des Berlin Perspectives Programms auf Englisch statt.

** das genannte Seminar findet ebenfalls auf Englisch statt.

 

Objekt des Monats: Unter den wachsamen Augen von Fichte, Humboldt, Grimm & Co. – Die Lünetten aus der ehemaligen Universitätsbibliothek

Objekt des Monats 10/2025

Ehemals sechs Lünetten zierten einst den Lesesaal der alten Universitätsbibliothek in der Dorotheenstr. 28 (ehemals Hausnr. 9) und repräsentierten damit die Fakultäten und Fachgebiete der Universität.

altes Foto des ehemaligen Lesesaals der alten Universitätsbiblitohek, Blick von oben
Blick in den Lesesaal der alten Universitätsbibliothek, 1901, Fotografie, Humboldt-Universität zu Berlin, Universitätsbibliothek

Lünetten, die kreissegmentförmig gerahmte Wandfelder ausfüllen und üblicherweise über Türen oder Fenstern angebracht werden, sind aufgrund ihrer Form eng mit der Architektur verbunden. 1871-73 wurde ein Neubau für die Universitätsbibliothek errichtet (nach mehreren anderen Unterbringungen seit dem Auszug aus der Königlichen Bibliothek 1839) und auch eine künstlerische Ausstattung vorgenommen, wie es für öffentliche Bauten um diese Zeit üblich war. Diese organische Einheit ging ab 1910 mit dem Umzug der Bibliothek verloren, ebenso die Lünette der Naturwissenschaften. Die Gemälde gelangten zunächst in den alten Lesesaal der Musikwissenschaft und wurden dort erst 1997 bei Restaurierungsarbeiten wiederentdeckt. In der Folge wurden sie in den jeweiligen Fakultäten sowie im Grimm-Zentrum untergebracht.

Während zu Entstehung und Auftrag bisher keine Informationen ermittelt werden konnten, lässt sich anhand der überlieferten und zwischen 1874 und 1878 datierten Entwürfe das Ringen um die adäquate Repräsentation der Wissenschaftsdisziplinen gut nachvollziehen. Aus den jeweils ersten Entwürfen wird ersichtlich, dass zuerst rein allegorische Darstellungen erprobt wurden. Diese Allegorien wurden zwar im Schaffensprozess beibehalten, jedoch um Porträtmedaillons berühmter Gelehrter der Universität ergänzt. Damit wurde eine seit dem Spätmittelalter verbreitete Bildsprache gewählt bzw. adaptiert, die Personifikation der Fakultäten in Verbindung mit einem Gelehrten. Dass die Entscheidung, welcher Wissenschaftler die jeweilige Disziplin am besten repräsentiert, nicht immer konfliktfrei gewesen sein dürfte, ist in zwei Fällen ganz konkret ersichtlich. Auch die Reihenfolge der Lünetten scheint sich geändert zu haben, weicht die Zählung der Entwürfe von 1874 und 1877 doch voneinander ab.

In der Lünette der Philosophie sind neben Plato und Aristoteles als Jünglinge lesend und lernend die Medaillons von Georg Wilhelm Friedrich Hegel sowie des Gründungsrektors der Universität, Johann Gottlieb Fichte, angeordnet.

In der Lünette der Philologie, in der die Repräsentation der Sprachfamilien abgebildet ist, wurden August Boeckh und die Grimm-Brüder als Fachvertreter gewählt.

Die Lünette der Medizin wurde im Entstehungsprozess stark reduziert: Äskulap mit einem Schlangenstab besetzt die Bildmitte, gerahmt von den Medaillonporträts von Johannes Müller (des “Vaters der medizinischen Wissenschaften”) und zunächst Eilhard Mitscherlich. Der Chemiker und Mineraloge war dann aber wohl doch nicht erwünscht, denn auf dem Entwurf ist bereits vermerkt: “Mitscherlich fällt weg, dafür Schönlein”. Entsprechend wurde die Lünette dann auch mit einem Porträt des wissenschaftlich vielseitig interessierten Mediziners Johann Lukas Schönlein ausgeführt.

Bei der Lünette der Jurisprudenz wurde das zunächst allein vorgesehene Medaillon mit dem Porträt Friedrich Carl von Savignys in der Bildmitte durch Carl Gustav Homeyer ergänzt („statt Savigny allein, auch Homeyer“) und die Allegorie der Justitia mittig platziert.

Besonders interessant ist die Entwicklung der Lünette der Theologie.

Scan eines alten Blatt Papiers mit Entwurfszeichnung einer Lünette und Beschriftung
Ludwig Burger, Lünette Theologische Facultät (katholisch), 1. Entwurf 1874
Scan eines alten Blatt Papiers mit Entwurfszeichnung einer Lünette und Beschriftung
Ludwig Burger, Lünette Theologische Facultät (protestantisch), 1. Entwurf 1874

Die ersten beiden Entwürfe sahen 1874 noch eine getrennte konfessionelle Repräsentation vor. Der Katholizismus wird mit einem Handschriften kopierenden Zisterziensermönch ins Bild gesetzt als „Bewahrer früherer Culturen“, ergänzt um kirchliche Symbole und die Personifikationen von “Symbolik” und “Dogmatik”.

Die protestantische Konfession zeigt in ähnlicher Bildanlage den Bibel übersetzenden Luther in der Bildmitte, ihm beigeordnet sind Kreuz, Bibel, Abendmahlkelch und die Dreieinigkeit sowie die Personifikationen der “Auslegung” und “Dogmatik”.

Erst im dritten Entwurf wird mit der mittig platzierten Allegorie, die aufgeschlagene Bibel in der Hand haltend, die Dominanz der evangelischen Konfession vorgenommen und in die ausgeführte Lünette überführt. Als Vertreter der evangelischen Theologie wird sie flankiert von den Bildnismedaillons von Friedrich Daniel Ernst Schleiermacher, der auch als Bildungsreformer und Philosoph wirkte, und seinem Kollegen, dem Professor für Kirchengeschichte August Neander. Die Reduktion auf eine Konfession für die theologische Fakultät erscheint für deren Repräsentation durchaus sinnvoll, denn erst seit 2019 kann man an der Humboldt-Universität auch Katholische Theologie studieren.

Foto einer halbkreisförmigen Malerei, die als Wandelement diente
Ludwig Burger, Lünette Theologie, nach 1877, Öl/Leinen auf Holz aufgezogen, Inv.-Nr. M 119

Durch den Wegfall der katholischen Theologie war ein Bildfeld schließlich wieder freigeworden. Hier sollten die Naturwissenschaften repräsentiert werden. Der im Gegensatz zur averlorenen Lünette überlieferte Entwurf von 1877 enthält zwei Medaillons mit Porträts von Alexander von Humboldt und dem Mediziner und Naturforscher Christian Gottfried Ehrenberg, der Humboldt 1829 auf seiner Reise durch den Ural begleitet hatte. Ehrenberg selbst forschte als Zoologe, Ökologe und Geologe, lehrte als Professor für Geschichte der Medizin und Physiologie in Berlin und hatte 1855/56 das Amt des Rektors der Friedrich-Wilhelms-Universität inne. Die Bildmitte füllt die vielbrüstige Fruchtbarkeitsgöttin Artemis Ephesia aus. Erstaunlicherweise dürfte bei der fertigen Lünette nicht Humboldt, sondern der Chemiker und Mineraloge Eilhard Mitscherlich (1794-1863) zu sehen gewesen sein, so zumindest lässt es die Beischrift auf dem Entwurf vermuten. Wie groß die Wertschätzung für den Berliner Hochschullehrer und zeitweisen Rektor der Friedrich-Wilhelms-Universität war, zeigt auch das 1894 für ihn errichtete Denkmal vor dem Ostflügel der Universität.

Scan eines alten Blatt Papiers mit Entwurfszeichnung einer Lünette und Beschriftung
Ludwig Burger, Lünette No. 2 (Naturwissenschaften), 1. Entwurf 1877

Die Lünetten der ehemaligen Universitätsbibliothek sind klassische Repräsentationen der Fakultäten. Aus den ursprünglich vier Fakultäten (Theologie, Jurisprudenz, Medizin und Philosophie), wie es sie bereits im Mittelalter gab, hatten sich weitere Fachgebiete etabliert, die ebenfalls in Bildprogrammen aufgenommen wurden. Die geplante reiche Ikonographie mit Allegorien, Personifikationen, berühmten Vertretern der jeweiligen Wissenschaften, Lehrer-Schüler-Beziehungen und zahlreichen Attributen der Fächer wurde in der Ausführung zugunsten einer klaren schematischen Bildsprache reduziert, die auch von Ferne gut zu erkennen war. Durch die überzeitlichen Personifikationen und die zeitgenössischen Vertreter der Fächer in einem durchgängigen Schema wird eine ästhetische Kontinuität gestiftet, durch die verschiedenen medialen Ebenen (Figuren, fingierter Stein, Rankenwerk) wird zudem auch die Kunst selbst präsent. Im Gegensatz zum Historienbild sind die Lünetten nicht narrativ, sie erzählen aber auch keine Geschichte von Aufstieg und Verfall, sind also nicht wertend im Rang einzelner Fächer oder ihrer Vertreter. Ebenso ist eine übliche Hierarchie in der Anbringung zurückgenommen – es gibt keine Leserichtung, sondern die räumliche Zuordnung zum Literaturbestand des jeweiligen Fachgebiets.

Autorin: Christina Kuhli

Literatur:

Angelika Keune: Gelehrtenbildnisse der Humboldt-Universität zu Berlin. Denkmäler, Büsten, Reliefs, Gedenktafeln, Gemälde, Zeichnungen, Graphiken, Medaillen, Berlin 2000, S. 156f.;

Theater der Natur und Kunst. Theatrum naturae et artis. Ausstellungskatalog, hg. von Horst Bredekamp, Jochen Brüning und Cornelia Weber, Berlin 2000, S. 60, Kat. 2/34 (Anita Stegmeier);

Monika Wagner: Allegorie und Geschichte. Ausstattungsprogramme öffentlicher Gebäude des 19. Jahrhunderts in Deutschland von der Cornelius-Schule zur Malerei der Wilhelminischen Ära, zugl. Habil-Schrift Universität Tübingen (= Tübinger Studien zur Archäologie und Kunstgeschichte, Bd. 9), Tübingen 1989;

Karl Friese: Geschichte der Königlichen Universitäts-Bibliothek zu Berlin, Berlin 1910;
Karl-August Wirth/ Ute Götz: Fakultäten, die vier, in: Reallexikon zur Deutschen Kunstgeschichte VI, Sp. 1183-1219.

Fluid Interdisciplinarities

Connecting Waters, Bridging Perspectives

Vom 23. bis 25. Oktober 2025 findet in Berlin das dreitägige Festival “Fluid Interdisciplinarities” statt. Die Veranstaltung hat zum Ziel, ForscherInnen, KünstlerInnen und PraktikerInnen zusammenzubringen und wasserbezogene Forschung sowie -praktiken zu beleuchen. Die Veranstaltung wird vom Integrative Research Institute on Transformations of Human-Environment Systems (IRI THESys), dem IHE Delft Institute for Water Education und dem Team für Wissensaustausch mit der Gesellschaft sowie dem TA T – Tieranatomisches Theater am Zentrum für Kulturtechniken (ZfK) organisiert und umfasst akademische Sitzungen und öffentliche Veranstaltungen, darunter Filmvorführungen, Walkshops und künstlerische Interventionen. Das vielfältige Programm zielt darauf ab, den Wissensaustausch zwischen Wissenschaft, Kunst und Gesellschaft zu fördern.

Ein besonderer Schwerpunkt liegt auf Flüssen wie Spree, Maas, Brahmaputra, Magdalena, Nil, Donau und Panke. Diese Flüsse werden keine eindimensionalen und abstrakten Themen bleiben, sondern durch vielfältige Diskussionen, kollaborative und partizipatorische Aktivitäten ergänzt werden. Diesem Thema widmet sich das Haus der Flüsse am Samstag, 25. Oktober, das in Zusammenarbeit mit der Künstlerin Regina Hügli (One Body of Water) konzipiert wurde und interaktive Diskussionen und künstlerische Projekte zum Thema Wasser zeigt.

Programm & Anmeldung für das “Fluid Interdisciplinarities” Festival

Die Veranstaltung wird von der Fritz Thyssen Stiftung gefördert.

Bildunterschrift: Lichtzeichnung von Fluss Limyros, 2015, Copyright Regina Hügli.

Wann: 23.-25. Oktober 2025

Wo: Tieranatomisches Theater, Zentrum für Kulturtechnik, HU Berlin Campus Nord, Philippstraße 13/Haus 3, 10115 Berlin

Kontakt: Pauline Münch, pauline.muench@hu-berlin.de

WisTanz an der Grundschule

In den Herbstferien 2025 wird „WisTanz” erstmals an der Kolumbus-Grundschule durchgeführt. Hierfür arbeitet die Choreografin Irina Demina mit der theoretischen Physikerin Prof. Valentina Forini von der Humboldt-Universität zusammen. Gemeinsam mit Schüler*innen der 3. Klasse wird ein Workshop gestaltet, in dem die Kinder mit dem eigenen Körper erleben, wie kleinste Teilchen und größte Himmelskörper sich bewegen, warum die Schwerkraft so wichtig ist und wie es sich anfühlen kann, wenn „alles mit allem verbunden“ ist.

Ziel des Projekts ist es, naturwissenschaftliches Denken mit künstlerischen Ausdrucksformen – insbesondere Bewegung und Tanz – zu verbinden. Durch diesen Ansatz möchte das Projekt Neugier, Kreativität, Körperbewusstsein und kooperatives Arbeiten fördern.

Die Choreographin und künstlerische Forscherin Irina Demina (SCARBOD Lab) ist zur Zeit Gastkünstlerin im Residenzprogramm “Dance Artist in Residence” am ZfK und hat das Pilotprojekt entwickelt. Es wird vom Team für Wissensaustausch mit der Gesellschaft am Zentrum für Kulturtechnik begleitet.

Weitere Veranstaltungen im Rahmen der Residenz von Irina Demina:

30. September – „Folk Dance and AI. Rethinking traditions“: Performative encounter als Workshop Beitrag zum 4. Symposium des Oxford Berlin Research Partnership: Innovation – pathways to societal impact.

24.–25. Oktober – Moveshops „Be river, my friend“ im Rahmen der Konferenz “Fluid Interdisciplinarities“.

9. November – Beitrag zur “Berlin Science Week”: Choreographies of Knowledge: Practices of Togetherness beyond now  mit Manisha Biswas (HU, Gewinnerin des Wettbewerbs “Dance Your PhD”).

Ausstellungseröffnung am 10. Oktober 2025: „On Water. WasserWissen in Berlin“ im Humboldt Labor

Wasser ist Leben, kann aber auch zerstörend sein. Die Ausstellung „On Water. WasserWissen in Berlin“ zeigt ab dem 10. Oktober 2025 im Humboldt Labor aktuelle Forschungsprojekte des Berliner Exzellenzverbundes Berlin University Alliance (BUA) zum Thema Wasser. Flankiert werden diese durch künstlerische Positionen, die sich mit dem Element auseinandersetzen und dessen Vielseitigkeit anschaulich vermitteln.

Wasser ist allgegenwärtig – wir trinken es, baden darin, erleben es als Regen, Eis oder Fluss. Und doch bleibt es widersprüchlich: vertraut und unberechenbar zugleich. Mal ist es zu viel, mal zu wenig. Mal fließt es, mal fehlt es, mal überflutet es ganze Landstriche. Im Zuge des Klimawandels, wachsender Städte und globaler Ungleichheit wird Wasser zur Herausforderung. Es lässt sich nicht einfach kontrollieren und stellt eingeübte Umgangsweisen infrage. Wasser ist kein passives Objekt, sondern ein dynamisches Element, das neue wissenschaftliche Perspektiven und gesellschaftliche Aushandlungen erfordert. Die Ausstellung On Water. WasserWissen in Berlin zeigt Forschungsprojekte, die sich aus unterschiedlichsten Blickwinkeln mit Wasser beschäftigen. Sie alle versuchen, von seinen Eigenschaften zu lernen – etwa von seinen Kreisläufen, seiner Anpassungsfähigkeit und Verbindungskraft –, um Lösungen für die Zukunft zu finden. Vertiefende Gedanken in das Zusammenspiel von Mensch und Wasser vermittelt die Audiospur: In ihr erzählen Wissenschaftler:innen, warum es sich lohnt, dem Wasser zuzuhören – es weiß mehr, als wir denken.

Hintergrund

Ein Zuviel oder Zuwenig von Wasser kennzeichnet die Gegenwart: Kreisläufe und Systeme, die lange als selbstverständlich galten, sind verschoben, irritiert, verletzlich. Die Störung des aquatischen Gleichgewichts fordert auch die Wissenschaft heraus. Die Ausstellung „On Water“ zeigt, dass keine Wissenschaft alleine in der Lage wäre, die Komplexität der mit ihm verbundenen Zusammenhänge zu erfassen. Oft ist es erst das Zusammenwirken unterschiedlichster Wissensformen, das zum Verständnis und zu neuen Lösungen führt. Hierzu zählt das voneinander Lernen der verschiedenen, meist hoch spezialisierten Fachwissenschaften; sowie der Austausch und das Gespräch mit den Menschen, die in konkreten Traditionen und Erfahrungen leben und hierin ein Wissen eigener Art mitbringen. Es gehört zu den großen Herausforderungen der Zukunft, Formen des Dialogs und des Miteinanders zu etablieren, die geeignet sind, einander auf Augenhöhe zu begegnen.

Aufbau der Ausstellung

Die Ausstellung entwickelt ihre Argumentation entlang lebensweltlicher Motive der Begegnung mit dem Wasser: im Meer, an der Küste, in der Stadt, im Fluss, im Bad u.w.m. Auf allen diesen Ebenen gilt es, das Zuviel oder Zuwenig von Wasser auszugleichen. Die Ausstellung macht so anhand exemplarischer Forschungsprojekte Wissenschaft lebendig und anschaulich. Forschende der Berlin University Alliance beschäftigen sich zum Beispiel mit Pfützen in der Stadt, mit Strudeln in Flüssen und Straßenbrunnen in Berlin, mit dem Schmelzen der Gletscher in den Alpen, der Badewanne als therapeutischem Ort oder dem Leben an und in Flüssen. Die Stimmen der Wissenschaftler:innen werden in Form einer Audiospur hörbar, in der diese von ihrer Faszination für ihre Forschung zum und mit dem Wasser erzählen. So wird erfahrbar, wie vielfältig und komplex sich das WasserWissen in Berlin darstellt. Aber nicht nur dort: Die Ausstellung präsentiert auch ausgewählte Forschungsprojekte, die sich mit Lösungen für die Wasserknappheit in Ägypten und Kurdistan beschäftigen und dabei lokales Wissen berücksichtigen. Darüber hinaus wird eine juristische Initiative gezeigt, die sich mit der Frage auseinandersetzt, wie die Spree Rechte bekommen könnte. Über die vielen Forschungsprojekte hinweg deutet sich ein verändertes Verständnis von Wissenschaft an, das die Dynamik und Eigenlogik von Wasser ernstnimmt und auch die Grenzen des Wissens anerkennt. Wissenschaft beginnt, sich an das Wasser anzuschmiegen.

Berlin University Alliance

„On Water. WasserWissen in Berlin“ ist eine Ausstellung der Berlin University Alliance (BUA). Die Berlin University Alliance – der Exzellenzverbund von Freier Universität Berlin, Humboldt-Universität zu Berlin, Technischer Universität Berlin und Charité – Universitätsmedizin Berlin – positioniert Berlin zu einem der führenden Wissens- und Innovationsräume der Welt, in dem über Disziplinen und Gesellschaftsbereiche hinweg integriert zusammengearbeitet wird. Gemeinsam trägt dieses Ökosystem zum nachhaltigen Gelingen der großen Transformationen bei. Die Berlin University Alliance wird gefördert vom Bundesministerium für Forschung, Technologie und Raumfahrt (BMFTR) und dem Land Berlin im Rahmen der Exzellenzstrategie von Bund und Ländern.

Die Ausstellung „On Water. WasserWissen in Berlin“ bildet zusammen mit den Programmlinien „On Water. Dialoge“ und „On Water. Parcours“ ein Schwerpunktthema der Berlin University Alliance. Mehr Informationen zu Konzept, Veranstaltungen und Kontakt zu Expert:innen der Berliner Wasserforschung finden Sie hier

Weiterführende Informationen zum Humboldt Labor und zur aktuellen Ausstellung finden Sie auf der Website des Humboldt Labors.

Das Eröffnungsprogramm zu „On Water. WasserWissen in Berlin“ finden Sie auf der Seite des Humboldt Forums

On Water

Ausstellungseröffnung am 10. Oktober 2025: „On Water. WasserWissen in Berlin“ im Humboldt Labor

Wasser ist Leben, kann aber auch zerstörend sein. Die Ausstellung „On Water. WasserWissen in Berlin“ zeigt ab dem 10. Oktober 2025 im Humboldt Labor aktuelle Forschungsprojekte des Berliner Exzellenzverbundes Berlin University Alliance (BUA) zum Thema Wasser. Flankiert werden diese durch künstlerische Positionen, die sich mit dem Element auseinandersetzen und dessen Vielseitigkeit anschaulich

mehr →

Objekt des Monats: Zeichnen im Patenschaftsbetrieb – Aus dem Bestand des ehemaligen Instituts für Kunsterziehung

Objekt des Monats 09/2025

Die Kunstsammlung der Humboldt-Universität umfasst als einen besonderen Bestand etliche Mappen, die Arbeiten von Studierenden des Faches „Kunsterziehung“ enthalten. Das ehemalige Institut an der Pädagogischen Fakultät der Humboldt-Universität umfasste in seiner Lehre neben Kunstgeschichte und Methodik der Kunsterziehung auch künstlerische Praxis für die angehenden Kunstlehrer*innen. Das politische Ziel, zu einer „allseitig gebildet[en] sozialistische[n] Persönlichkeit“ (Klemm 2015, S. 49) zu erziehen und dabei den „sozialistischen Realismus als kunstpolitische Doktrin in der Gesellschaft ein[zu]setzen“ (ebd., 2015, S. 49) war auch in diesem Fach fest verankert. Alfred Kurella, Leiter der Kulturkommission des Politbüros des Zentralkomitees der SED und starker Verfechter des sogenannten Sozialistischen Realismus schrieb 1959 über die Bedeutung der Kunsterziehung im Sozialismus: „In den Künsten sind in einer besonderen Form, die vor allem über die Anschauungen, über das Gefühl auf die Menschen einwirkt, gesellschaftlich notwendige Kenntnisse über die Welt und über sich selbst festgehalten.“ (Kurella 1959, S. 7) Der Sektion Kunstwissenschaft und Ästhetik an der Humboldt-Universität fiel somit die Aufgabe zu, durch die Künste und ihre wissenschaftliche und pädagogische Begleitung die neue sozialistische Persönlichkeit zu bilden. Die Lehrenden im Bereich Kunsterziehung mussten deshalb nicht nur künstlerisch ausgewiesen sein, sondern sich auch gesellschaftlich engagieren (z. B. als Leiter sog. Zirkel, in denen Laien zum künstlerischen Schaffen angeleitet wurden) und natürlich geistig-weltanschaulich dem Marxismus-Leninismus verpflichtet sein – schließlich bildeten sie zukünftige Kunstlehrer und Kunstlehrerinnen aus.

Bereits 1951 versuchte man mit der Akademie der bildenden Künste „eine ständige Fühlung zwischen bildenden Künstlern und Kunstpädagogen“ (Einladung des Instituts für Kunsterziehung an Max Lingner, 8.2.1951, Archiv der Akademie der Künste, Sign. Max-Lingner-Archiv 259, nicht paginiert) herzustellen. Für die künstlerische Praxis, die an der HU u.a. von bildenden Künstler:innen gelehrt wurde (Hermann Bruse, Dietrich Kunth, Johannes Prusko, Gerenot Richter, Erhardt Schmidt, Norbert Weinke, Barbara Müller, Wolfgang Frankenstein), waren die Vorgaben relativ unkonkret. Es sollten lebensbejahende Stoffe, Themen wie Natur, Heimat, Aufbau des sozialistischen Lebens behandelt und dabei verschiedene Techniken und Materialien erprobt werden. Dieser Maßgabe scheinen die Arbeiten zu Industrielandschaften, Freizeit und Privatleben, Urlaub, Dorfansichten oder Motive des Wiederaufbau Berlins zu folgen. Nachweislich wurden Drucktechniken wie Radierung, Linoldruck oder Holzschnitt geübt, aber auch Zeichentechniken mit Tinte und Kohle sowie Ölmalerei. 

Eine Beispielgruppe an frühen Werken zeigt die Umsetzung der Lehrplanvorgaben recht deutlich: Industriebilder, die im Patenschaftsbetrieb der HU, dem Braunkohlewerk „Glückauf“ in Knappenrode entstanden. Eva-Maria Mancke, Lehrbeauftragte am Institut für Kunsterziehung im Bereich künstlerische Praxis, beschreibt diese Form der „aktive[n] Teilnahme am sozialistischen Alltag“ in einem Artikel über den 14-tägigen Arbeitseinsatz der Studierenden ausführlich – und wohl auch etwas geschönt: 

„Wir fanden Hilfsbereitschaft und Verständnis, und das half uns über manche Klippe hinweg, denn Rückenschmerzen und Blasen an den Händen gehören nun mal nicht zur angenehmen Seite einer Beschäftigung. Trotzdem gab es kein Kopfhängen. […] Unsere Motive fanden wir in der Fabrik, im Abraum und auf dem Montageplatz, und wir zeichneten und malten all das, womit wir während des Arbeitseinsatzes schon in Berührung gekommen waren.“ (Mancke 1958, S. 13f.)

Arbeiten, die nach den obligatorischen mehrtägigen Exkursionen in Industrieanlagen wie dem Braunkohle-Patenschaftsbetrieb Glückauf entstanden, lassen sich vereinzelt unter den zahlreichen Werken der ehemaligen Kunsterziehungsstudierenden finden. Aus dem Studienplan für Kunsterziehung des Jahres 1951 ist ersichtlich, dass der Bereich „Mensch und Raum“ mit Übungen zu „Raumprojektion“, „Innen- und Außenarchitektur“ sowie „Baukomplexe“ in drei Studienjahren zu absolvieren war.

Dem eigentlichen Arbeitseinsatz folgte demnach die künstlerische Umsetzung des Erlebten. Die entstandenen Werke wurden im Kulturhaus des Betriebes ausgestellt, später auch an der HU. Speziell Druckgrafiken wurden als Geschenkmappen zur Einweihung einer neuen Förderbrücke hergestellt. Durch Vortragstätigkeiten des Instituts („Bergmannsdarstellungen in der bildenden Kunst“) und den geplanten gemeinsamen Besuch der IV. Deutschen Kunstausstellung in Dresden waren die Vorgaben des sogenannten Bitterfelder Weges mustergültig umgesetzt. Die beschworene Gemeinschaft zwischen Künstler:innen und Arbeiter:innen war jedoch schon 1965 realpolitisch obsolet geworden. Die Werke des ehemaligen Instituts für Kunsterziehung sind somit nicht nur ästhetisch, sondern auch historisch wertvolle Zeugnisse. Leider sind viele Werke, die bis in die 1980er Jahre datieren, nicht signiert oder nicht identifizierbar, so dass nur in Einzelfällen die Arbeiten ehemaligen Studierenden zuzuordnen sind.

Autorin: Christina Kuhli

Literatur:

Über die Veränderungen in der Lehrerausbildung am Institut für Kunsterziehung. Beitrag zur Lehrkörperkonferenz der Pädagogischen Fakultät an der Humboldt-Universität zu Berlin 18.12.1958, Humboldt-Universität Universitätsarchiv, Päd. Fak. 02, 0026, [S. 4];

Eva-Maria Mancke: Studenten arbeiten und zeichnen in der Produktion, in: Kunsterziehung. Zeitschrift für Lehrer und Kunsterzieher, Heft 12, 1958, S. 12-14;

Alfred Kurella: Vom musischen Klima unserer Schule, in: Deutsche Lehrerzeitung, Jahrgang 6, Heft 1, 1959, S. 7f.

Wolfgang Frankenstein: Zur Stellung der Kunsterziehungswissenschaft im System Kunstwissenschaft, in: Theoretische Grundlagen der bildkünstlerischen Gestaltung, Wissenschafts-Konferenz des Bereichs Kunsterziehung, Humboldt-Universität zu Berlin 1978, S. 161-169;

Marieluise Schaum: Zinnoberrot und Preußischblau oder die Kunsterziehung an der Humboldt-Universität zu Berlin. Positionen und Potentiale kunsttheoretischer Entwicklungen am Bereich Kunsterziehung der Sektion Ästhetik und Kunstwissenschaften der Humboldt-Universität in den siebziger und achtziger Jahren, in: Wolfgang Girnus/ Klaus Meier (Hrsg.): Die Humboldt-Universität Unter den Linden 1945 bis 1990. Zeitzeugen – Einblicke – Analysen, Leipzig 2010, S. 467- 494;

Thomas Klemm: „Die ästhetische Bildung sozialistischer Persönlichkeiten“. Institutionelle Verflechtungen der Kunstlehrerausbildung an den Hochschulen der DDR, in: Die Hochschule 24, 2015, S. 48-61.

 

Ausstellungseröffnung am 2. Oktober 2025: “Beziehungsweise Familie” am Humboldt Forum

Vater, Mutter, Kind? Überraschende Perspektiven auf das traditionelle Familienmodell in Vergangenheit und Gegenwart.

Familie: (Fast) jeder Mensch hat eine und jede ist doch anders! Aber was hält uns als Familie zusammen? Und wer hat sich das eigentlich ausgedacht? Mit einem Jahresprogramm erkundet das Humboldt Forum den Stoff, aus dem familiäre Bande gewebt sind. Ob löchrig oder engmaschig, am seidenen Faden, Patchwork oder Makramee: Beziehungsgeflechte sind das Thema – künstlerisch, historisch, wissenschaftlich, international und im Dialog mit der Berliner Stadtgesellschaft.

Erfahren Sie, was und wen Familie und Verwandtschaft alles umfassen kann und wie unterschiedlich das Miteinander gelebt wird. Alle Akteure des Humboldt Forums widmen sich gemeinsam dem Thema familiärer Beziehungsgeflechte der Gegenwart, Vergangenheit und Zukunft in unterschiedlichen Formaten wie Ausstellungen, Performances, Diskussionen, Workshops, Führungen und Interventionen im ganzen Haus.

Ausstellungen und Interventionen

Die Besonderheit der Ausstellung ist, dass sie durch alle Ausstellungsräume und Sammlungen im Humboldt Forum führt. Den Einstieg in das Thema bieten zehn teils interaktive Treffpunkte in der Station Beziehungsweise(n) Familie im Erdgeschoss – von der eigenen Familienaufstellung über eine Virtual-Reality-Tischgemeinschaft bis hin zu persönlichen Erzählungen über Kosenamen; von globaler Familiengeschichte, Konflikten und Kompromissen bis zum persönlichen Schlüsselmoment. Hinterfragen und erweitern Sie Ihre Vorstellung und Ihr Verständnis von Familie. Lassen Sie Ihre Familienerfahrung an dieser Begegnung teilhaben!

Mehr als 40 ausgewählte Objekte im Ethnologischen Museum und Museum für Asiatische Kunst, aus dem historischen Berliner Schloss, im Humboldt Labor und in BERLIN GLOBAL sowie zusätzlich im Museum Knoblauchhaus werden Teil des Jahresprogramms. Sie zeigen, wie sehr Machtverhältnisse familiäre Biografien prägen. Und auch, wie persönliche Familiengeschichten am Ursprung großer Herrschaftsgeschichten oder Religionen stehen können.

Temporäre Ausstellungen widmen sich dem Erhalt bedrohter Sprachen aus aller Welt und der transgenerationellen Übertragung von Wissen. Und sie präsentieren zeitgenössische Positionen internationaler Künstler*innen, die auf die Familienrealität queerer und migrantischer Erfahrungen verweisen.

Veranstaltungen

Zahlreiche Veranstaltungen für Erwachsene und Kinder bieten neue Zugänge zu diesem Thema: Die Transkontinentale bringt dieses Jahr Familiengeschichten aus Afrika, Südamerika und Asien nach Berlin und ebenso das namibisch-deutsche Musiktheater People of Song, welches seine Europa-Premiere hat. Besonders bunt wird es Ende Oktober, wenn das Familienfest Dia de Muertos zum zweiten Mal im Humboldt Forum gefeiert wird. Dies als Ausblick, doch auch zur Eröffnung gibt es viel Programm: bei den ersten Thementagen im Oktober.

Care oder Chaos? Thementage 3.-5. Oktober 2025

An drei Thementagen im Anschluss an die Eröffnung der Ausstellung rückt das Humboldt Forum zentrale Fragen von Care, Pflege und familiären Beziehungen in den Mittelpunkt. Kleine Gesten, große Wirkung – in künstlerischen Interventionen, Performances, Lesungen und Gesprächen wird Familie neu gedacht: beim Workshop In the Dreamhouse, bei tänzerischen Interventionen in der Dauerausstellung, einem Kuchenbüfett mit heilenden Blumen und bei African Street Games für die ganze Familie. Mit dabei sind die Autorin und Musikerin Christiane Rösinger, das Resident Music Collective, die feministische Autorin Sophie Lewis, der Film Im Prinzip Familie von Regisseur Daniel Abma und viele mehr.

In den Werkräumen gibt es Drop-ins zum Mitmachen, Basteln und Erkunden und das Bilderbuchkino bringt eindrückliche Geschichten auf die Leinwand, gelesen von bekannten Stimmen mit musikalischer Begleitung.

Zwei weitere Thementage sind 2026 geplant: “Familiengeheimnisse“ und „Zusammen gegen Widerstände: alternative Formen des Zusammenlebens“.

Die Ausstellung eröffnet am 2. Oktober, 18 Uhr – die Teilnahme an der Eröffnung ist frei. 

Programm zur Eröffnung:

18:00

Begrüßung:

Hartmut Dorgerloh, Generalintendant des Humboldt Forums
Julia von Blumenthal, Präsidentin der Humboldt-Universität zu Berlin
Sophie Plagemann, Künstlerische Direktorin und Vorstand der Stiftung Stadtmuseum Berlin
Lars-Christian Koch, Direktor des Ethnologischen Museums und des Museums für Asiatische Kunst der Staatlichen Museen zu Berlin

Grußwort:

Konrad Schmidt-Werthern, Amtschef bei dem Beauftragten der Bundesregierung für Kultur und Medien

Inhaltliche Einführung:

Laura Goldenbaum, Solvej Helweg-Ovesen, Grit Keller, Alia Rayyan, Maria Sobotka, uw.

19:00

Kurzführungen zu den Ausstellungsinterventionen

19:30

Gesprächsrunden im Foyer

20:30

Musikset des Resident Music Collective aus ihrem neuen Programm Klangverwandtschaften

21:00

DJ-Set: Stella Zekri

Das Programm und die Ausstellung Beziehungsweise Familie (3.Oktober 2025 – 12. Juli 2026) wurden gemeinsam von allen Akteuren des Humboldt Forums kuratiert: Stiftung Humboldt Forum im Berliner Schloss, Ethnologisches Museum und Museum für Asiatische Kunst (Stiftung Preußischer Kulturbesitz / Staatliche Museen zu Berlin), Stiftung Stadtmuseum Berlin und Humboldt-Universität zu Berlin. Gesamtkuratorische Leitung: Dr. Laura Goldenbaum (SHF).

Ort: Alle Etagen im Humboldt Forum und im Stadtmuseum/Museum Knoblauchhaus 

Laufzeit: Fr., 3. Oktober 2025 – So., 12. Juli 2026

Öffnungszeiten: Mo, Mi, Do, Fr, Sa, So: 10:30 – 18:30 Uhr; Di: geschlossen

Neue Ticketpreise ab 3.10.2025, weitere Informationen unter Eintritt & Tickets

Am Themenwochenende vom 3. bis 5. Oktober 2025 gilt ermäßigter Eintritt.

Bildnachweis: Stiftung Humboldt Forum im Berliner Schloss, Foto: Getty Images, The Image Bank, Karan Kapoor

Kunstwerk des Monats: Bestimme dich selbst – subversive Kunst der 80er Jahre

Objekt des Monats 08/2025

Sichtbarkeit und Unsichtbarkeit sind bei diesem Kunstwerk auf vielfältige Weise miteinander verschränkt. Obwohl es im Hauptgebäude verortet ist, dürfte es in der sogenannten Lounge vor dem Beratungsraum 2249A eher versteckt sein. Ursprünglich konnte es zwar auch nur eine eingeschränkte Universitätsöffentlichkeit wahrnehmen, allerdings an einem Ort, der mit seiner Entstehungsgeschichte eng verwoben war – obwohl diese vor allem auch ephemere Anteile hatte.
Das Kunstwerk ist Ergebnis mehrerer Kunstaktionen aus den Jahren 1983 und 1984, als der Künstler Erhard Monden und Eugen Blume (damals wissenschaftlicher Mitarbeiter an den Staatlichen Museen Berlin) in der DDR sowie Joseph Beuys in der BRD parallel die Aktion „Sender–Empfänger“ inszenierten und später in einer erneuten Aktion weiterbearbeiteten. Sowohl die Grenzüberschreitung als auch die Erweiterung des Kunstbegriffs gaben der Aktion auch eine politische Dimension – und sie war damit höchst suspekt für die DDR-Staatsführung.

Am letzten Tag der IX. Kunstausstellung in Dresden, dem 2. April 1983, fand zwischen 12 und 13 Uhr auf den dortigen Elbwiesen das fiktive Senden von Informationen zwischen Ost und West statt. Eugen Blume, der 1981 sein Studium an der Humboldt-Universität mit einer Arbeit zum Kunstbegriff bei Beuys abschloss, beschreibt das Vorgehen so: “Ich benutzte für die Aktion bewußt die für Beuys so typischen schwarzen Tafeln, auf denen ich die ‘Sendung’ aus Düsseldorf notierte. Monden arbeitete mit den für seine Aktionen typischen Materialien. Als Antenne dienten uns drei Bäume, mit denen wir durch ein Seil verbunden waren.” (Blume 1992, S. 148.) Sechs leere Tafeln für die Sendung von Beuys und sechs Tafeln mit der Aufschrift „Bestimme dich selbst! Sei ein Künstler, indem du dich als freies kreatives Wesen erkennst! Ich bin Erhard Monden 02.04.1982. Kunst = Mensch = Kreativität = Freiheit. Adaption Joseph Beuys.“ wurden ausgelegt. Die anderen Tafeln füllten sich im Laufe der Aktion ebenfalls mit Beuys‘ Terminologie. Monden überzeichnete im Anschluss seine Tafeln. Es war der Versuch, in einer “Parallelaktion über die Grenzen hinweg” die “soziale Plastik” auch in der DDR einzuführen. Außerdem war es auch ein Protest gegen den Ausschluss von Aktionskunst im offiziellen Kunstbetrieb.

Der Künstler Erhard Monden beschäftigte sich auch über diese Aktion hinaus mit der Kunst bzw. Kunstkonzeption von Joseph Beuys. Er sah in dessen „sozialer Plastik“ den wahren Realismus. Beuys‘ Kritik an jedweder Determinierung (durch Produktionsverhältnisse, gesellschaftliche Zwänge) machte in ihn nicht nur in der DDR suspekt, er galt dort jedoch nicht nur als Künstler, sondern auch politisch als äußerst problematisch.

Vom 2.-8. April 1984 wurde die Aktion in Berlin fortgeführt mit den Materialien aus Dresden und Diskussionen. Beuys, der am letzten Tag dabei sein sollte, wurde die Einreise verweigert – er „galt als gefährliche politische Figur, deren Einfluß auf die Kunstszene in der DDR verhindert werden sollte“ (Blume 1992, S. 149). Das Wandbild (Schablonenspritzmalerei auf Zeitungspapier und Fotografie) blieb Dokument dieser Aktion. Es ist sowohl doppelt datiert (durch die Angabe auf der Zeitungsseite, die als Malgrund dient, und der Aufschrift in der Mitte) als auch signiert (mittig und unten rechts). Es vermittelt eine Botschaft zur Selbstbestimmung und freien kreativen Entfaltung vor dem Hintergrund eines auch in Kulturangelegenheiten restriktiven DDR-Staates. Die Verbindung von Kunst, Mensch, Kreativität und Freiheit wird im unteren Drittel als Adaption der Überzeugungen von Joseph Beuys erklärt. Seine Werke und sein Credo “Jeder Mensch ist ein Künstler” waren zu seinen Lebzeiten auch in der BRD umstritten.

Kunstplakat der Aktion Bestimmte dich selbst mit Schrift über Zeitung und unten Fotos
Erhard Monden, Bestimme dich selbst!, 1982, Mischtechnik

Das Kunstobjekt wurde im Raum 3071 im Hauptgebäude, im damaligen Vorlesungsraum der Kunsthistoriker, angebracht und war somit bei Lehrveranstaltungen in diesem Raum präsent. Obwohl das Fach Kunstwissenschaft plangebundener ideologiegeleiteter Forschung unterlag, konnte die Kunstaktion von Monden, die sich mit dem erweiterten Kunstbegriff von Beuys auseinandersetzt, unbehelligt stattfinden. Somit legt das Werk auch Zeugnis ab von den Möglichkeiten einer offiziell marxistisch-leninistischen Kunstgeschichte, die es dennoch verstand, ihren Blick und ihre Methoden auch vor den aktuellen wissenschaftlichen Diskursen nicht zu verschließen.

2010 wurde es wegen Bauarbeiten im Hauptgebäude abgenommen und 2018 im Vorraum von R 2249 A wieder angebracht.

Autorin: Dr. Christina Kuhli

 

Literatur:

Eugen Blume: Joseph Beuys und die DDR – der Einzelne als Politikum, in: Jenseits der Staatskultur. Traditionen autonomer Kunst in der DDR, hg. von Gabriele Mutscher und Rüdiger Thomas, München/ Wien 1992, S. 137-154;
Eugen Blume: Laborismus gegen Kapitalismus und Kommunismus im Dunkeln: Joseph Beuys, in: Klopfzeichen. Kunst und Kultur der 80er Jahre in Deutschland, Ausst.-Kat. Leipzig/ Essen 2002-2003, Leipzig 2002, S. 45-51;
Christof Baier: „… befreite Kunstwissenschaft“. Die Jahre 1968 bis 1988, in: In der Mitte Berlins. 200 Jahre Kunstgeschichte an der Humboldt-Universität, hg. von Horst Bredekamp und Adam S. Labuda, Berlin 2010, S. 373-390;
Eugen Blume: Es gibt Leute, die sind nur in der DDR gut – Joseph Beuys 1985, in: Die Unsichtbare Skulptur. Der Erweiterte Kunstbegriff nach Joseph Beuys, hg. von Heinrich Theodor Grütter, Rosa Schmitt-Neubauer u.a., Ausst.-Kat. Essen 2021, Köln 2021, S. 217-223;
Mathilde Arnoux: In search of true realism. Eugen Blume and Erhard Monden with Joseph Beuys in the GDR, in: Art studies quarterly 55 (2022), Nr. 2, S. 4-13.

Archiving Werkstatt der Kulturen: (Post)Migrant Histories in Berlin Arts-Einblicke in das Programm “Lernen und Lehren mit der Gesellschaft”

187 Kisten stellten den Kern der Auseinandersetzung des Seminars “Archiving Werkstatt der Kulturen: (Post)Migrant Histories in Berlin Arts” dar. In diesen sammeln sich die zurückgebliebenen Materialien der Werkstatt der Kulturen (WdK).

Die WdK war von 1993 bis 2019 die einzige staatlich geförderte Institution der Stadt, die sich der Präsentation von Kunst und Kultur von und mit migrantischen und minorisierten Communities widmete. Unter der Leitung von Juana Awad, Kuratorin und künstlerische Fellow bei dem Centre for Advanced Study inherit. heritage in transformation, und Dr. Habiba Insaf, Forscherin und Leitung des inherit Forschungsfeldes decentring the west, war das Seminar für Studierende des B.A. Kunst- und Bildgeschichte und des B.A. und M.A. Ethnographie konzipiert. Das Seminar setzte sich theoretisch und praktisch mit dem Archivierungsprozess rund um die WdK Materalien auseinander.

Trang Trần, Vorstandsmitglied des Migrationsrat Berlin e.V. besuchte das Seminar im Zentrum für Kulturtechnik und betonte in ihrem Austausch mit den Studierenden die Dringlichkeit der geleisteten Arbeit. Im Gespräch wurde deutlich, dass die archivarische Arbeit an den Materialien der WdK schon lange überfällig war. Der Migrationsrat lagerte die Materialien nach der Schließung der WdK 2019 notdürftig bei sich ein, da sich keine andere Institution für die Materialien verantwortlich erklären wollte.¹ Trotz des Bewusstseins, dass diese Lösung nur eine vorübergehende sein konnte – der Keller des Migrationsrat war zwischenzeitlich auf Grund eines Wasserschadens feucht geworden und die Materalien akut vor Schimmel bedroht – hatte der Migrationsrat nicht die notwendigen Ressourcen, um sich umfassend um die übrig gebliebenen Materialien zu kümmern. Awad, die sich im Rahmen ihrer Promotion seit 2003 intensiv mit den Archivmaterialien der WdK auseinandersetzte, musste dementsprechend in einem ersten Inventarisierung- und Umverpackungssprozess das Equivalent von ca.einem Drittel der 300 Kisten wegwerfen.

An dem erweiterten Inventarisierungsprozess haben die 31 Studierende des Seminars mitgewirkt und insgesamt die 130 Kisten mit den WdK Materialien bearbeitet. Die erste Aufgabe lautete, die Boxen und Ordner zu katalogisieren, einen Überblick über den Inhalt der Ordner zu erstellen und alle alten Ordner von verrosteten Büroklammern zu befreien. Neben der Erfahrung, wie ein solcher Archivierungsprozess ganz praktisch aussieht, ermöglichte es den Studierenden vor allem auch einen Einblick in die Boxen. Diese unmittelbare Materialerfahrung war die Grundlage für die eigentliche Seminaraufgabe: Einen eigenen thematischen Schwerpunkt zu wählen und dazu eine theoretische Auseinandersetzung im Dialog mit den Materialien zu verfassen. Die ausgewählten thematischen Schwerpunkte sahen hierbei sehr unterschiedlich aus. So befassten sich mehrere Studierende mit der CD des Musikprojektes “1884”, die an die Berliner Konferenz von 1884 erinnerte, während sich andere Studierende intensiv mit einem internationalen Pressespiegel zum Şimdi Now Festival beschäftigten.

Ein weiterer praktischer Teil des Seminars war der Besuch der Dauerausstellung Ver/Sammeln antirassistischer Kämpfe im Friedrichshain-Kreuzberg Museum. Die Ausstellung, die als offenes Archiv konzipiert ist und dafür ausgelegt ist, durch Besucher*innen stetig zu wachsen, öffnete den Raum für eine inhaltliche Auseinandersetzung damit, wie eine mögliche Zukunft des Archivs der WdK aussehen könnte.

Mögliche Antworten darauf bieten gegebenenfalls Erkenntnisse aus den Community Sessions COMMUNITY MACHT ARCHIV², zu der Awad zivilgesellschaftliche Akteur*innen einlud, die gegebenenfalls selbst über die Jahre in der WdK aktiv waren. Doch auch die im Seminar entstandenen Texte tragen zur Sichtbarmachung der Materialien und zur Öffnung des Archivs bei, um die kulturelle und künstlerische Arbeit der WdK und aller Beitragenden aufzuarbeiten und weiterleben zu lassen. Nach Abschluss des Lektorats-Prozesses werden diese voraussichtlich ab Anfang November 2025 auf der folgenden Website www.werkstatt-der-kulturen.de zu finden sein.

Das Seminar wurde durch das Seed Funding Programm für transdisziplinäre Lehre “Lernen und Lehren mit der Gesellschaft” des Kompetenzfeldes Wissensaustausch mit der Gesellschaft am Zentrum für Kulturtechnik (ZfK) gefördert. Der Text wurde von Marlene Lüdorff geschrieben, die als Teil ihres Ethnographie-Masters das Seminar besuchte. Zudem ist sie als studentische Beschäftigte am Zentrum für Kulturtechnik tätig.

Archiving Werkstatt der Kulturen: (Post)Migrant Histories in Berlin Arts-Einblicke in das Programm “Lernen und Lehren mit der Gesellschaft” weiterlesen